Zwischen Estland und Finnland : Mega-Tunnel sorgt für Streit
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Helsinkis Hafen liegt am finnischen Meerbusen. Ein Investor plant einen Tunnel, der Helsinki mit dem estländischen Tallinn verbinden soll. Bild: dpa
Chinesische Investoren wollen Finnland und Estland durch einen Tunnel verbinden. Das kleine Estland jedoch will nicht von der gigantischen chinesischen Seidenstraße vereinnahmt werden.
Es ist ein Projekt, das in der ganzen Region für Aufsehen sorgt. Geht es nach den Planern, sollen schon bald Züge durch einen neuen Tunnel unter der Ostsee rauschen und die finnische Stadt Helsinki mit Tallinn in Estland verbinden. Finanziert von chinesischen Geldgebern, so die Idee, entstünde die längste Eisenbahnröhre, die jemals unter einem Gewässer hindurchgegraben wurde.
Doch in Estland regt sich Widerstand gegen das Vorhaben, das von privaten Initiatoren vorangetrieben wird. „Wir brauchen mehr Klarheit darüber, wie viel Geld eingeplant ist und woher es kommen soll“, sagt der estnische Wirtschaftsminister Taavi Aas. Auch an anderer Stelle fehlten Informationen.
Hinter dem aktuellen Vorstoß steht der Unternehmer Peter Vesterbacka, der als Entwickler des beliebten Videospiels „Angry Birds“ viel Geld verdient hat. Vor wenigen Wochen hatte er mit dem chinesischen Fonds Touchstone Capital Partners eine Absichtserklärung unterzeichnet, welche die Planungen konkretisierte.
Demnach sind 16,8 Milliarden Dollar für den Tunnel eingeplant, der von drei chinesischen Unternehmen gebaut werden soll: China Railway International Group, China Railway Engineering Company und China Communications and Construction Company. Die Volksrepublik zählt das Vorhaben demnach zu ihrer Initiative Neue Seidenstraße, auch „One Belt, One Road“ genannt, mit der das Land rund um den Erdball viel Geld in den Ausbau von Infrastruktur investiert.
Schon 2024, so der Plan von Vesterbacka, könnte der Tunnel eröffnen und den Transit zwischen den Haupstädten, die rund 100 Kilometer über den Finnischen Meerbusen in der östlichen Ostsee voneinander entfernt sind, deutlich beschleunigen. Statt die Fähre zu nehmen, die mindestens zwei Stunden braucht, könnten Passagiere den Tunnel mit dem Zug in nur etwa einer halben Stunde durchqueren, heißt es.
Um die Verbindung zu realisieren, sollen sich demnach große Tunnelbohrmaschinen unter dem Meer hindurchgraben. Mit dem gewaltigen Aushub an Sand, Steinen und Schlamm, der dadurch entsteht, will die Finest Bay Area Development OY – so der Name von Vesterbackas Unternehmen – mindestens eine künstliche Insel entlang der Strecke vor der Küste aufschütten.
Investition ohne Staatsmittel
Überlegungen für einen solchen Tunnel gibt es in Finnland und Estland schon länger, doch bislang gibt es keinen Beschluss, auch weil die Finanzierung unklar ist. So war eine Machbarkeitsstudie von Behörden im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass mindestens 40 Prozent der erforderlichen Mittel durch Zuschüsse der Europäischen Union gedeckt werden müssten.
Vesterbacka hingegen will ohne Staatsmittel auskommen, stößt aber trotzdem auf viel Kritik. „Bloß weil der Projektentwickler sagt, er braucht keine staatliche Unterstützung, können wir ihn nicht einfach mit dem Baggern anfangen lassen“, sagte Wirtschaftsminister Aas der Agentur Bloomberg. Es gebe keine klaren Zahlen zu den erwarteten Passagieren, auch hätten die Länder keine Garantie, dass der Tunnel wirklich zu Ende gebaut werde. Zudem spielen Bedenken eine Rolle, dass China durch das Projekt seinen Einfluss in der Region deutlich ausweiten kann.
Ähnliche Befürchtungen gibt es auch in Ungarn und Serbien, wo China im geplanten Ausbau der rund 350 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Budapest und Belgrad im Rahmen seiner „Neuen Seidenstraße“ ebenfalls als Finanzierer eine Rolle spielen könnte. Dieses Engagement wird auch von der Europäischen Kommission kritisch gesehen.
Am Finnischen Meerbusen dürfte es zudem Fragen rund um den Umweltschutz geben, wie derzeit ein ähnliches Projekt zwischen Deutschland und Dänemark zeigt. So haben Umweltschützer, der Fährbetreiber Scandlines und andere Projektgegner acht Klagen gegen den geplanten Fehmarnbelttunnel vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. Sie sehen schwere Mängel in der Planung, und fordern, das bis zu 11,4 Milliarden Euro teure Vorhaben zu stoppen.