Medizin statt Kosmetik : Intelligente Tattoos mit Superkräften
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Carson Bruns nutzt die Nanowissenschaft, um Tattoos für medizinische Einsätze auszurüsten. Bild: FAZ.NET/Sophie Scholl
Tattoos können mehr als nur schön aussehen, sagt Carson Bruns. Wenn es nach dem Forscher der University of Colorado geht, verleihen sie bald sogar Superkräfte.
Den Farbpigmenten unter der Haut will Carson Bruns, Assistant Professor an der University of Colorado, einen medizinischen Sinn verleihen: Mikrokapseln mit integrierter Farbe reagieren auf Umwelteinflüsse oder auch den menschlichen Körper. Tattoos sollen die Gesundheitsmonitore des Körpers werden. Bisher werden Tattoos in der Medizin vor allem zu kosmetischen Zwecken genutzt: zur Rekonstruktion oder um Pigmentstörungen abzudecken.
Brillen oder Kontaktlinsen waren für Bruns schon immer ein Störfaktor. Implantate findet er schlicht zu schmerzhaft und zu teuer. Deswegen wollte er etwas erfinden, was dazwischen liegt: Kein tiefsitzendes Implantat, das mit aufwendigen Operationen eingesetzt werden muss, und auch kein Fremdkörper auf der Haut. Intelligente Tattoos sind für ihn die Lösung: Mit Nanotechnologie, die es erlaubt Mikrokapseln mit Farbe durch die Tätowiernadel wenige Millimeter unter die Haut zu bringen.
Ein intelligentes Tattoo, das Bruns bereits entwickelt hat, ist sensibel für UV-Strahlung. Die Farbe in den Mikrokapseln, die nicht größer sind als die Farbpigmente normaler Tattoofarbe, reagiert auf UV-Strahlung und färbt sich blau. So erscheint das Tattoo, sobald die Haut der Sonne ausgesetzt ist, und zeigt dem Träger des Tattoos, dass er UV-Strahlung ausgesetzt ist. „Ich hoffe, dass das nicht nur vor einem Sonnenbrand schützt, sondern auch vor den Langzeitfolgen intensiver Sonnenstrahlung: schnellere Hautalterung und Hautkrebs“, sagt Bruns auf der Me Convention in Frankfurt.
Bruns hat das UV-Tattoo an sich selbst getestet. Sobald sein Arm UV-Strahlung ausgesetzt ist, verfärbt sich eine Stelle seiner Haut, etwa so groß wie eine Linse, blau. Sobald Sonnencreme aufgetragen wird, verschwindet der kleine blaue Fleck innerhalb weniger Sekunden wieder. Die „Solar Freckles“, wie Bruns die kleinen blauen Punkte nennt, verbleichen bisher jedoch nach etwa sechs Monaten vollständig. Für ihn ist bisher allerdings noch unklar, ob es an der Farbe oder der Mikrokapsel liegt.
Er hofft, dass er im kommenden Jahr die Tattoos auch an Menschen testen kann. Genug Interessenten hätte er allemal: Auf eine Nachfrage ins Publikum, wer sich für ein intelligentes Tattoo interessieren würde, meldet sich etwa die Hälfte des Saals. „Wir hoffen, dass wir kommendes Jahr mit Tests an Menschen beginnen können. Bis das UV-Tattoo auf dem Markt ist, dauert es noch“, sagt Bruns.
Er hat viele weitere Ideen für intelligente Tattoos. „Die Haut hat drei Funktionen: Schutz, Regulation und Fühlen. All das kann man mit Tattoos modifizieren“, sagt er.
Eine Studie an Mäusen zeigt beispielsweise, dass schwarze Tattoos vor Hautkrebs schützen können. „Wer also viel Sonnenlicht abbekommt, sollte sich Gedanken über ein schwarzes Ganzkörper-Tattoo machen“, scherzt Bruns. Tattoos könnten aber eine Möglichkeit sein, um Hautkrebs zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern.
Und die Ideenkette bricht nicht ab: Nikotin- oder Hormonpflaster zur Verhütung könnten durch die intelligenten Tattoos verschwinden. „Man kann Hormone oder Nikotin durch die Mikrokapseln kontrolliert freisetzen“, sagt Bruns. Oder Tattoos, die die Farbe veränderten, wenn der Blutzuckerwert ein bestimmtes Level erreicht, würde Diabetikern das Leben erleichtern. Oder sogar Tattoos, die Röntgenstrahlung oder atomare Strahlung anzeigen.
Zum Schluss legt das Publikum nach: Ob auch Tattoos, die Demenzkranken anzeigen, ob sie ihre Medikamente bereits genommen haben, denkbar wären?, wird gefragt. Hier muss der ideenreiche Assistant Professor allerdings passen: „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.“