Digitalisierte Arbeitswelt : Wenn der Ingenieur seine Pläne in der Badewanne entwickelt
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Nicht mehr im Büro arbeiten, sondern da wo man will: Digitalisierung macht’s möglich. Bild: Picture-Alliance
Die Digitalisierung krempelt die Arbeitswelt um: Nicht mehr die Zeit zählt, nur noch das Ergebnis. Ein Blick in die Zukunft.
Die erste Panik ist vorüber. Vor vier Jahren sorgten zwei Oxford-Professoren mit ihrer Studie „The future of employment“ für Aufregung. Die Ökonomen kamen zu dem Ergebnis, dass fast jeder zweite Amerikaner in einem Beruf arbeitet, dessen Tätigkeit innerhalb der nächsten 20 Jahre wahrscheinlich automatisiert werde. Die Zahlen lösten heftige Debatten aus: Nehmen uns Roboter und Algorithmen die Arbeit weg? Wird der Mensch durch die Maschine aus dem Zentrum der Wertschöpfung verstoßen, und welche sozialen Verwerfungen entstehen daraus? Droht gar eine neue Bewegung der Maschinenstürmer? Heute hat sich die Debatte versachlicht. Technische Potentiale sind das eine, was umgesetzt wird, das andere. Auch die Kosten werden für den Technologieeinsatz entscheidend sein. Darüber hinaus sind sich die meisten Beobachter einig, dass vor allem einzelne Routinetätigkeiten durch Maschinen ersetzt werden, nicht komplette Berufe. Das hat es in der Folge technischer Innovationen immer gegeben. Was soll auch schlecht daran sein, dass Bandarbeitern in Autofabriken durch Roboter die zermürbende Überkopfarbeit abgenommen wird?
Auch wenn über Form und Ausprägung also noch gerätselt werden kann, dass die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft die Arbeitswelt umkrempeln wird, daran besteht kein Zweifel. Laut einer Umfrage im Auftrag des Bildungsministeriums glauben drei von vier Deutschen, dass sich die Arbeitswelt bis 2030 spürbar verändern wird. Mit Jobverlusten rechnet etwas mehr als die Hälfte, und satte 84 Prozent glauben, dass die Gehaltsunterschiede steigen werden.
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In vielen Unternehmen wird Zukunft schon erprobt
Doch viele Bürger sehen auch die Chancen und glauben etwa, dass Menschen mit Beeinträchtigungen durch Roboter oder Software besser ins Berufsleben integriert werden können. 58 Prozent meinen zudem, dass ein Großteil der Menschen die Arbeit in Zukunft von unterwegs oder zu Hause aus erledigen wird, und immerhin jeder Zweite setzt darauf, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Digitalisierung einfacher wird.
In vielen Unternehmen wird die Zukunft schon erprobt. Automobilkonzerne etwa gründen kleine Einheiten aus und geben ihren Mitarbeitern dort Freiheiten zum Querdenken. „Disruption“ heißt das Zauberwort. Die Freigeister sollen die bisherigen Geschäftsmodelle über den Haufen werfen und auf völlig neue Ideen kommen – bevor es ein anderer tut. „Die Konzerne imitieren Start-Ups“, sagt Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Doch viele Mitarbeiter in diesen Beibooten tun sich schwer mit ihrer neuen Rolle, schließlich haben die meisten schon eine Laufbahn im Tanker hinter sich.
Ingenieur kann Pläne in der Badewanne entwickeln
Womöglich gehören riesige Stammbelegschaften in Zukunft zu den Ausnahmen. Zumindest verwischen die Grenzen zwischen eigenen und Fremdarbeitern. Die Ludwigshafener BWL-Professorin Jutta Rump und der frühere Personalvorstand der Deutschen Bank, Heinz Fischer, skizzieren in der Studie „Arbeitswelt 2030“ der Robert-Bosch-Stiftung ein Szenario von steigendem Wettbewerbs- und Innovationsdruck in der globalisierten Weltwirtschaft. Um bestehen zu können, brauchen Unternehmen variable Arbeitsbeziehungen. Die Rede ist von „atmenden Organisationen“, in denen die Stammbelegschaften reduziert werden und spezifisches Knowhow für Projekte von Spezialisten eingekauft wird.