Mayers Weltwirtschaft : Die nächste Bankenkrise
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Dunkler Himmel über den Banken in Frankfurt Bild: dpa
Die aktuelle Schieflage italienischer Banken ist erst der Anfang. Bald schon werden auch deutsche Kreditinstitute noch stärker leiden. Eine Einschätzung des prominenten Ökonomen Thomas Mayer.
Der „Brexit“ ist nur der äußere Anlass für Italiens gegenwärtige Bankenkrise, und die italienische Krise ist nur die Spitze des Eisbergs der Probleme europäischer Banken. Der tiefere Grund für die tödliche Krankheit der Banken ist die Verschleppung der Bereinigung maroder Bilanzen nach der Finanzkrise. Die Niedrigzinspolitik der EZB und anderer Zentralbanken hat zwar eine Depression wie nach dem Aktienmarktcrash von 1929 verhindert, sie hat aber gleichzeitig den Druck für notwendige Strukturanpassungen verringert. Daraus ist ein Teufelskreis entstanden: Die Niedrigzinspolitik stützt eine ineffiziente Struktur der Wirtschaft mit der Folge, dass Wachstum und Inflation niedrig bleiben, was wiederum zur Begründung der Niedrigzinspolitik dient. Dieser Teufelskreis führt zu einer Auszehrung der Banken, die in die nächste Krise führt.
Markus Krall von der Unternehmensberatung goetzpartners beschreibt, wie die Niedrigzinspolitik zum Abschmelzen der Zinsmargen und zur gefährlichen Veränderung der Bilanz von Kreditbanken führt. Die Zinsmarge einer Bank, die im klassischen Kreditbankgeschäft die Gewinnmarge bestimmt, besteht aus drei Komponenten: der Passivmarge, der Transformationsmarge und der Kreditmarge. Die Passivmarge ergibt sich aus dem Einlagezins und dem Geldmarktzins. Sie entsteht, wenn der Bank Einlagen zufließen, die sie nicht gleich als Kredite weiterreichen kann und daher auf dem Geldmarkt parken muss. Solange der Einlagezins nicht unter null gesetzt werden kann (weil die Kunden sonst ihre Einlage in bar abheben) und der Geldmarkzins negativ bleibt, ist auch die Passivmarge negativ.
Die Zentralbanken kosten die Banken Verdienst
Die Transformationsmarge entsteht dadurch, dass Banken Kredite auf längere Frist vergeben, das damit geschaffene Giralgeld aber auf Abruf durch den Kunden zur Verfügung stellen. Diese „Fristentransformation“ lassen sich die Banken normalerweise bezahlen. Wenn der Kreditzins aber von der Zentralbank auch für längere Laufzeiten gegen null gedrückt wird, verschwindet die Transformationsmarge. Schließlich ist da noch die Kreditmarge, die Banken dafür berechnen, dass sie das Risiko von Kreditausfällen auf sich nehmen.
Fallen Passiv- und Transformationsmarge weg, müssen die Banken zur Deckung ihrer Kosten die Kreditmarge ausweiten, was nicht ohne Abstriche an der Kreditqualität geht. Unterm Strich führt die Niedrigzinspolitik der Zentralbank mit der Zeit folglich zur Ausdünnung der Gewinne und erhöhten Risiken in den Bilanzen der Kreditbanken. Da sie ohne ausreichende Gewinne keine angemessene Risikovorsorge betreiben können, werden die Banken zum Brandbeschleuniger im Wirtschaftsabschwung. Auch kleinere Schwächephasen der Realwirtschaft können dann eine Flucht aus Bankaktien auslösen, die auf Bankanleihen und im schlimmsten Fall auf die Einlagen übergreift.
Ein Regelbruch löst das Problem nicht
Seit Ende 2011 befinden sich die Kreditzinsen auf einem steilen Abwärtspfad. Ab nächstem Jahr, wenn die noch zu höheren Zinsen vergebenen Kredite im Schnitt auslaufen und durch Kredite mit niedrigeren Zinsen ersetzt werden, wird die Auszehrung auch der deutschen Banken ernstlich beginnen. Die gegenwärtige Bankenkrise in Italien ist also nur ein Vorläufer dessen, was bei uns und im gesamten Euroraum zu erwarten ist.
Die italienischen Banken leiden an der Höhe ihrer schlechten Kredite. Die Regierung versucht nun, die Kapitalausstattung der Banken mit staatlicher Hilfe aufzustocken, damit sie diese abschreiben können. Dass die Regierung damit das im Rahmen der „Bankenunion“ gerade erst beschlossene Verfahren zum Umgang mit notleidenden Banken aushebeln würde, ist für sie weniger wichtig als die politischen Kosten, die ihr durch eine Beteiligung der Gläubiger an der Sanierung der Banken entstehen würden. Wie bei der Rettung Griechenlands durch öffentliche Finanzhilfen und danach der gesamten Währungsunion durch die EZB soll wieder einmal gelten: Not kennt kein Gebot. Allerdings würde auch diesmal ein Bruch der Regeln die Probleme nicht lösen, sondern nur in die Zukunft verschieben. Denn es wäre nur eine Frage der Zeit, bis das neu zugeführte Kapital im Umfeld niedrigen Wachstums und niedriger Zinsen durch Abschreibungen wieder verbraucht wäre.
Freunde der EZB halten der Diagnose einer tödlichen Krankheit der Banken entgegen, dass mit der Niedrigzinspolitik die Wirtschaft bald wieder auf Wachstumskurs gebracht und dadurch die Probleme der Banken gelöst werden könnten. Doch bisher ist es nirgendwo gelungen, mit dieser Geldpolitik robustes Wirtschaftswachstum und zielgerechte Inflation herbeizuzwingen. Dies führt leider zu dem Schluss, dass wir auf dem Weg in die nächste große Bankenkrise sind.