Managerbezüge : Gehälter jenseits von Eden
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Welches Gehalt ist angemessen für einen Vorstandschef? Bild: ddp
In Großbritannien folgt Rücktritt auf Rücktritt. Auch in Deutschland, Amerika und der Schweiz hagelt es Kritik an zu hohen Vorstandsgehältern.
Die Diskussion über zu hohe Gehälter von angestellten Vorstandsvorsitzenden bekommt in der westlichen Welt immer mehr Schwung. In Deutschland hat das Gehalt von Martin Winterkorn, dem Vorstandschef von Volkswagen, die jüngste Aufregung ausgelöst. In Amerika haben die Aktionäre der Citigroup eindrucksvoll ihren Unmut über die nach ihrer Ansicht zu hohe Entlohnung des Vorstands ausgedrückt. Der neue französische Präsident François Hollande möchte die Managergehälter in den staatlichen Unternehmen einschränken. In der Schweiz beklagten die Aktionäre der UBS sowohl die laufenden Vergütungen des Managements als auch das Begrüßungsgeld für den neuen Verwaltungsratsvorsitzenden und früheren Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, von rund 3,6 Millionen Euro. Und auch in Großbritannien wächst der Aufstand der Aktionäre gegen überzogene Gehälter und schwache Managementleistungen an der Spitze von Großunternehmen.
Gehaltserhöhung abgelehnt, Chef abgetreten

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Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Das jüngste Opfer dort heißt Andrew Moss. Der Vorstandsvorsitzende des Versicherungskonzerns Aviva hat soeben seinen Posten aufgegeben. Er ist binnen weniger Wochen der dritte Chef eines britischen Großunternehmens, der wegen der Aktionärsrevolte weichen muss. Moss zieht mit dem Rücktritt die Konsequenzen aus einer Abstimmungsniederlage auf der Aviva-Hauptversammlung in der vergangenen Woche. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg daraufhin am Dienstag im Handelsverlauf zeitweise um mehr als 5 Prozent. Die Eigentümer des größten britischen Versicherungskonzerns hatten mehrheitlich dagegen gestimmt, Moss trotz enttäuschender Aktienkursentwicklung eine Gehaltserhöhung zu gewähren. Der Aviva-Chef erhielt für das vergangene Jahr 2,6 Millionen Pfund (3,1 Millionen Euro) und zusätzlich ein langfristiges „Anreizprogramm“ in Aktien über 3,4 Millionen Pfund.
Schon am vergangenen Donnerstag hatte Sly Bailey, die Vorstandschefin des Zeitungshauses Trinity Mirror, wegen Kritik an ihrem Gehalt ihren Rücktritt erklärt. Ende April hatten Großaktionäre nach einem schwachen Quartalsergebnis den vorzeitigen Rückzug von David Brennan als Vorstandschef des Pharmakonzerns Astra Zeneca erzwungen. Entzündet hat sich die Rebellion in Großbritannien am Einkommen von Bob Diamond, dem Vorstandschef der Großbank Barclays, der 2011 trotz schlechter Geschäftsentwicklung insgesamt fast 25 Millionen Pfund erhalten hatte. Diamond ist aber weiterhin im Amt.
Änderungen auch bei VW geplant
Der wachsende Ärger der britischen Investoren ruft in Großbritannien schon die Regierung auf den Plan. Wirtschaftsminister Vince Cable von der Liberaldemokratischen Partei will den Aktionären mehr Macht geben. Der Widerstand der Anteilseigner sei „die richtige Antwort auf exzessive Managergehälter“, sagte Cable. „Aber er wird kaum von Dauer sein, wenn die Aktionäre nicht den Eindruck haben, dass ihre Stimme zählt.“ Es wird erwartet, dass der Wirtschaftsminister den Aktionären in Gehaltsfragen ein bindendes Votum geben will. Bisher können sich Börsenunternehmen in Großbritannien dagegen wie in den Vereinigten Staaten oder auch in Deutschland über Hauptversammlungsmehrheiten hinwegsetzen. In Deutschland wird sich wegen der Debatte um Winterkorn bald der Aufsichtsrat von Volkswagen mit der Frage beschäftigen, wie die Bezüge der obersten Führungskräfte begrenzt werden können. Winterkorn hat 2011 knapp 17,5 Millionen Euro verdient. „Sicherlich wird es bei VW Veränderungen geben“, sagte der VW-Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh.
Klaus-Peter Müller, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank und Vorsitzende der Corporate Governance Kommission, sowie der frühere Daimler-Finanzvorstand Manfred Gentz haben jüngst einen Brief an alle Dax-Aufsichtsratsvorsitzenden geschickt. Darin fordern sie eine Deckelung der Gehälter. Sie fürchten um die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft. Das Thema wird in deutschen Vorstandsetagen lebhaft diskutiert, hinter vorgehaltener Hand wird heftige Kritik an überzogenen Gehältern geäußert.
Der Lufthansa-Aufsichtsratschef Jürgen Weber gab jüngst aber auch öffentlich zu Protokoll: „Für mich ist die absolute Obergrenze in der Vergütung eines immerhin nur angestellten Vorstandschefs - und da muss er seine Sache wirklich gut machen für das Unternehmen, die Beschäftigten, die Kunden und die Aktionäre - das Hundertfache des Durchschnittsgehalts eines Mitarbeiters.“ Das wären bei einem Durchschnittsgehalt von 50.000 Euro bestenfalls 5 Millionen Euro. Aber auch das, sagte Weber der „Börsen-Zeitung“, ist „fast schon jenseits von Eden“.