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Ein Deutscher macht Karriere : Der Herr der Amazon-Roboter

Mike Roth Bild: Getty

Mike Roth lenkt als Logistik-Chef von Amazon mehr als 40.000 Roboter. Seine Stelle fand er über eine Anzeige in der F.A.Z. – seinen Arbeitgeber überrascht er bis heute.

          3 Min.

          Als Mike Roth im Jahr 1999 bei Amazon anfing, gab es nur ein Logistikzentrum des amerikanischen Online-Händlers in Deutschland. Seine Stelle fand er nach einer Bewerbung auf eine entsprechende Anzeige, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen war. Statt mit Handscannern wurden die Bestellungen noch mit Papierlisten zusammengestellt. Heute trägt Roth den Titel eines „Vice President Customer Fulfillment“ – und ist damit Logistik-Chef bei Amazon für die ganze Welt.

          Carsten Knop
          Herausgeber.
          Jonas Jansen
          Wirtschaftskorrespondent in Düsseldorf.

          Vor wenigen Tagen hat er es sich nicht nehmen lassen, nach Deutschland zurückzukehren, um das erste deutsche Logistikzentrum anzukündigen, in dem die neueste Fördertechnologie mit Transportrobotern zum Einsatz kommen wird. In Winsen an der Luhe wird vom dritten Quartal 2017 an jedes einzelne Produkt mobil, weil erstmals Transportroboter die einzelnen Regale mit den Produkten zum sogenannten Picker bringen.

          Der stellt die Bestellung der Kunden zusammen, eine Aufgabe, die Menschen bisher noch deutlich besser und schneller erledigen können als Maschinen. Doch bekommen diese Menschen motorisierte Hilfe: Amazon bringt seine Roboter nach Deutschland.

          Bald 45.000 Roboter im Einsatz?

          Für Roth ist es nur logisch, dass Amazon in diese Technologie in Winsen investiert. „Amazon wächst, und es ist nicht damit getan, einfach mehr Gebäude zu errichten und mehr Menschen einzustellen. Wir setzen deshalb auf Technologie und Innovation. Für die Logistik sind das zum Beispiel ‚Machine Learning‘ und Robotik“, sagt Roth im Gespräch mit dieser Zeitung. „Das macht uns produktiver, und es schafft bessere Arbeitsplätze für die Mitarbeiter in den Logistikzentren.“

          Bislang setzt Amazon die Transportroboter nur in den Vereinigten Staaten, in Polen und in Großbritannien ein. Neben Deutschland hat Amazon Roboter nun aber auch für Spanien und Italien angekündigt. Nicht weniger als 45.000 dieser Roboter will Amazon noch in diesem Jahr auf der ganzen Welt einsetzen – und Roth hält diese Zahl noch für „konservativ geschätzt“.

          Roth, der für Amazon schon an vielen Logistikstandorten gearbeitet hat, sieht Robotik als einen Baustein von mehreren, um das Wachstum des größten Onlinehändlers der Welt effizienter zu gestalten: „Die Transportroboter in den Logistikzentren der achten Generation sind nur ein Teil der neuen Technologien, die wir einführen. Dadurch werden die Abläufe in den Logistikzentren besser ausbalanciert, zum Beispiel durch deutlich mehr Fördertechnik als früher“, sagt er.

          Bring die Ware zum Menschen, nicht die Person zur Ware

          Die Roboter heißen AGV, das steht für „Automated Guided Vehicles“, solche Transportroboter sind nicht unbedingt die kompliziertesten Systeme. Sie sehen auch nicht besonders futuristisch aus, eher wie überdimensionierte Staubsaugerroboter. Bei Amazon sind sie orange, sie fahren unter die beladenen Regale und transportieren diese zu den Menschen. Nach dem Motto:

          Bring die Ware zum Menschen, nicht die Person zur Ware. Denn genau so kann man effizienter arbeiten: Mitarbeiter, die ständig hin und her rennen, werden müde, außerdem können Maschinen schwere Gegenstände heben, ohne müde zu werden. „Wir haben unglaublich viele verschiedene Artikel, das sind über 1 Million in einem Verteilzentrum“, sagt Roth. „Wir haben nur gute Erfahrungen mit dem Konzept der AGV gemacht.“

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          Neue Technologien wie die Robotik ersetzten die Menschen nicht, versichert Roth. „Durch die Roboter stellen wir nicht einen Mitarbeiter weniger ein.“ Sie sorgten vielmehr für zusätzliches Wachstum, weil Amazon durch sie mehr Produkte schneller verteilen und verkaufen kann, dadurch die Umsätze steigen und dann auch mehr Mitarbeiter eingestellt würden.

          „Arbeitssicherheit steht bei uns an oberster Stelle“

          Zudem schafften auch Roboter zusätzlich neue Rollen in den Logistikzentren, zum Beispiel in der Informationstechnologie und der Wartung. „Deshalb stellen wir weiter ein und haben für 2017 angekündigt, 2000 neue Stellen in Deutschland zu schaffen“, sagt Roth.

          Selbstverständlich sei ohnehin, dass die Roboter im Umgang mit den Menschen vollständig sicher seien. „Arbeitssicherheit steht bei uns an oberster Stelle. Diese Roboter bleiben im Zweifel sofort stehen“, sagt Roth. Dafür sollen Sensoren sorgen, die die Umgebung scannen, abgenommen werden die Roboter vom TÜV.

          Unfälle mit solchen Robotern kann sich ein Unternehmen wie Amazon, das ohnehin schon im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, nicht leisten, weil es wie kaum ein anderer Online-Händler gnadenlos effizient arbeitet – worüber sich immer mal wieder auch Mitarbeiter beschweren. Um Unmut bei der Einführung der Roboter zu verhindern, werden auch die Betriebsräte nach Winsen eingeladen. „Ich bin sicher, da werden sich die Sorgen ganz schnell in Luft auflösen“, sagt Roth.

          Von Tübingen zu Amazon

          Bevor er bei Amazon anfing, arbeitete Roth bei einem Chemieunternehmen, nachdem er zuvor mehrere Jahre wissenschaftliche Forschungsprojekte im Bereich Wissenschaftsgeschichte betreut hatte. Roth erhielt von der Universität Tübingen den Bachelor- und Masterabschluss im Fach Verfahrenstechnik.

          Er lehrte am International Congress of the History of Science in Lüttich, bei der Liebig Society in Gießen und bei der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Bei „Telebuch“ und „Bücherdienst“ war Roth nach eigenen Worten ein früher Kunde, schon seit 1994. „Als Amazon die gekauft hat, habe ich das als Kunde mitbekommen und wusste, dass das abgehen wird“, erinnert sich Roth.

          Im Rückblick hat er damit mehr als recht behalten. Das Faszinierendste an dem Konzern und seinem Gründer und Vorstandsvorsitzenden Jeff Bezos sei, dass er sich selbst und den Zielen, die schon zur Gründung existierten, treu bleibe. „Es ist unglaublich, wie deckungsgleich das ist“, sagt Roth. Es gebe nicht viele Unternehmen, die ihre fundamentale Ausrichtung niemals hätten ändern müssen, weil sie die Rahmenbedingungen genau richtig eingeschätzt haben.

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