Daimler, Deutsche Bank & Co. : Deutsche Konzerne planen Generalschlüssel fürs Internet
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Im großen Netzwerk sollen Nutzer sich leichter ausweisen können. Bild: dpa
Allianz, Deutsche Bank und Daimler wollen sich gemeinsam gegen die Vormacht von Facebook und Co. im Internet stemmen. Die neue Internetplattform soll den Nutzern viele Vorteile bringen.
Mehrere deutsche Großkonzerne tun sich zusammen, um in der Digitalisierung nicht komplett von den amerikanischen Internet-Giganten abhängig zu werden. Die Allianz, die Deutsche Bank mit ihrer Tochtergesellschaft Postbank, Daimler und Axel Springer wollen gemeinsam mit den IT-Unternehmen Core und Here eine Internetplattform aufbauen, über die sich Nutzer mit einem einzelnen Schlüssel Zugang zu verschiedenen Diensten verschaffen können.
Das Projekt ist schon länger in Planung, am Montag bestätigten die Beteiligten Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Kern des geplanten neuen, einheitlichen Zugangs für Online-Angebote wird ein sogenannter Generalschlüssel sein“, teilte das Konsortium mit. „Diesen könnten Kunden dann branchenübergreifend verwenden, um sich im Internet zu registrieren und zu identifizieren.“
Vorbild des Vorhabens sind die großen Betreiber von Internetplattformen wie Facebook, bei denen sich der Nutzer mit einem einzelnen Passwort für verschiedene Dienste einwählen kann, und auf denen immer wieder neue Angebote freigeschaltet werden. Oder wie Google: Wer einmal ein Nutzerkonto bei Google eingerichtet hat, der nutzt darüber meistens nicht mehr nur das Emailprogramm, sondern schaut darüber auch seine Videos und bucht manchmal seine Flüge.
Einmal Ausweis zeigen, überall Kunde sein
Der nun geplante Generalschlüssel soll es dem Nutzer ermöglichen, sich einmal rechtssicher bei einem Anbieter zu legitimieren – also beispielsweise über das Video-Ident-Verfahren für ein Online-Girokonto der Deutschen Bank – und darüber Zugangsdaten zu erlangen, mit denen er sich zum Beispiel auch im Online-Bereich der Allianz oder beim Carsharing von Daimler anmelden kann.
Nach und nach sollen auch andere Unternehmen ihre digitalen Dienste darüber verfügbar machen. Die Zugangsdaten werden zu einer Art digitalem Personalausweis, mit denen der Nutzer unkompliziert rechtssicher Geschäfte online machen kann.
Die Kartellbehörden müssen noch zustimmen
„Die Digitalisierung eröffnet Marktchancen: die Unternehmen brauchen überprüfte Identitäten ihrer Geschäftspartner und die Kunden erwarten die eigene Authentifizierung komfortabel und in Echtzeit abschließen zu können“, erläuterte ein Sprecher der Deutschen Bank gegenüber der F.A.Z. Später soll auch das Bezahlen und das Speichern und Verwalten von Daten auf der Plattform möglich sein.
In der vorigen Woche haben die Beteiligten eine Absichtserklärung unterzeichnet. Noch in diesem Jahr soll nun eine GmbH gegründet werden, die von den Unternehmen getragen und die Plattform betreiben wird. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2018 soll sie an den Start gehen. Die Systeme hinter der Plattform sollen die beiden IT-Unternehmen Core und Here gemeinsam mit den IT-Abteilungen der beteiligten Unternehmen entwickeln. Um die Sicherheit der Plattform zu gewährleisten, ist unter anderem das Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme eingebunden. Über die fertige Plattform sollen dann verschiedene Unternehmen ihre digitalen Dienstleistungen anbieten können.
Da die Plattform den neuesten Datenschutzrichtlinien der EU entsprechen soll, wird sie nach Angaben der Initiatoren auch die Möglichkeit bieten, darüber Verträge abzuschließen und Behördenangelegenheiten zu erledigen, wenn das Thema E-Government weiter voranschreitet. Vor diesem Hintergrund arbeitet das Konsortium auch eng mit dem Bundeswirtschaftsministerium zusammen. Das ganze Projekt steht allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass die Wettbewerbsbehörden dem Vorhaben zustimmen werden.
Die Initiatoren hoffen auf Beteiligung aus dem Rest Europas
Klaus Entenmann, Vorstandsvorsitzender von Daimler Financial Services, betonte die Vorteile, die die neue Plattform für die Nutzer der Online-Dienste des Autokonzerns habe: „Dies gilt sowohl für das klassische Finanzierungs- und Leasinggeschäft als auch für unseren stark wachsenden Bereich der Mobilitätsdienste.“
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, sagte zu dem Vorhaben: „Wir müssen als Europäer auch in der Digitalisierung endlich unserer Stärken voll ausspielen. Jetzt ist die Zeit für eine solche Plattform-Initiative: Sie wird die Rechtssicherheit für die Kunden und das Wachstum der europäischen Digitalwirtschaft steigern.“ Holger Friedrich, Geschäftsführer von Core, sprach von einem Meilenstein auf dem Weg zu einer digitalen Infrastruktur auf Basis europäischer Werte. Die Initiative schaffe die Voraussetzung für die informationelle Selbstbestimmung der Bürger und Unternehmen.
„Wir glauben, ein Angebot in Deutschland und mittelfristig auch in Europa zu etablieren, welches viele Unternehmen aller Branchen nutzen werden“, sagte der Sprecher der Deutschen Bank. Da sich innerhalb der EU bei der Prüfung der Identität und der Speicherung identitätsbezogener Daten alle Unternehmen nach der eIDAS-Verordung richten müssen, die von der neuen Plattform erfüllt werden sollen, sind die Initiatoren zuversichtlich, dass den deutschen Generalschlüssel bald auch Unternehmen aus dem europäischen Ausland nutzen werden.
Die Macher haben dabei auch die zunehmende Bedeutung von Vernetzung und Digitalisierung beim Autofahren oder in der Industrie im Blick. Die Plattform soll deutschen und europäischen Unternehmen eine Möglichkeit geben, ihre Dienste und Datenströme zu kanalisieren, ohne dabei auf amerikanische oder asiatische Unternehmen zurückgreifen müssen.
Wie viel Geld die Unternehmen in das Gemeinschaftsprojekt stecken und welcher Konzern sich zu welchen Teilen daran beteiligt, dazu wollte der Sprecher der Deutschen Bank am Montag nichts sagen. Wie genau der Generalschlüssel aussieht – ob sich die Nutzer also etwa über ein Passwort oder vielleicht per Fingerabdruck einloggen werden – muss erst noch erarbeitet werden. Auch ein Name ist noch nicht gefunden. Unter den Beteiligten hat das Projekt bislang den Arbeitstitel DIPP.