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Tarifindex : Gewerkschaften treiben Mindestlohn hoch

Den Mindestlohn im Blick: Im Gaststättengewerbe spielt die Lohnuntergrenze eine große Rolle. Bild: Reinhard Eisele

Eigentlich gelten klare Regeln für den Mindestlohn – er soll dem Tarifindex folgen. Linke und Gewerkschafter stellen die Regeln in Frage.

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           Kurz vor der Entscheidung über die zukünftige Höhe des Mindestlohns setzen Gewerkschafter zusammen mit Linkspartei und SPD-Linken die zuständige Kommission unter Druck, die Lohnuntergrenze gleich auf mehr als 9 Euro je Stunde anzuheben und vom amtlichen Tarifindex abzuweichen. Gleichzeitig wird auch innerhalb der Kommission darüber diskutiert, von dem Index zumindest in gewissem Umfang nach oben abzuweichen. Darauf deutet eine Simulationsrechnung hin, die das siebenköpfige Gremium beim Statistischen Bundesamt angefordert hat. Sie zeigt, wie stark der Mindestlohn steigen würde, wenn man neben dem amtlichen Index zusätzlich auch solche Tariferhöhungen mitrechnet, die bei den Beschäftigten der betreffenden Branchen noch gar nicht angekommen sind. Der Index misst den gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt der Tariferhöhungen für Arbeitnehmer.

          Dietrich Creutzburg
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

          Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatte schon im April eine Erklärung ihres Vizechefs Burkhard Siebert verschickt, in der dieser forderte, der Mindestlohn müsse „deutlich über neun in Richtung zehn Euro ab 2017 steigen“. Laut Gesetz muss die Kommission Ende Juni einen Vorschlag vorlegen, wie stark der Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro zum 1. Januar 2017 steigen soll. Die NGG ist durch ihre Vorsitzende Michaela Rosenberger in der Kommission vertreten. Am Montag bekräftigte Siebert die Forderung in der „Bild“-Zeitung.

          Der Landeschef der Linkspartei in Bayern, Xaver Merk, forderte gar eine „sofortige Erhöhung des Mindestlohns auf 10 Euro für alle und schnellstmöglich eine Anhebung auf 12 Euro“. Zuvor hatte der SPD-Linke Klaus Barthel eine Erhöhung auf deutlich über 9 Euro gefordert und der Mindestlohnkommission dabei geraten, sich „nicht sklavisch“ an die Tarifdaten zu halten.

          Anpassung gemäß Tarifindex

          Die Geschäftsordnung der Kommission, der je drei Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter angehören, sieht eine Abweichung vom amtlichen Tarifindex nur für Ausnahmefälle vor. In dem Regelwerk heißt es, dass die Kommission die Anpassung „gemäß der Entwicklung des Tarifindexes“ in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis Ende Juni 2016 „festsetzt“. Abweichungen sind nur möglich, „wenn besondere, gravierende Umstände aufgrund der Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung vorliegen“. Um solche Umstände festzustellen, ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig; es müssten also auch Arbeitgebervertreter dafür stimmen. Das Mindestlohngesetz besagt, dass sich die Anhebung des Mindestlohns „nachlaufend an der Tarifentwicklung“ orientieren solle.

          Aus dem amtlichen Index würde sich mit den Daten von Ende Mai eine Mindestlohnsteigerung um 3,1 Prozent ergeben. Ende Juni wird die dann zu berücksichtigende Erhöhung voraussichtlich 3,2 Prozent betragen. Damit würde der Mindestlohn auf 8,77 Euro steigen. Die Kommission prüft jedoch ohnehin schon eine Abweichung von dem Index. Anlass ist, dass sonst diesmal weder der jüngste Tarifabschluss der IG Metall einfließt noch der Abschluss des öffentlichen Dienstes von Ende April. Denn das Statistische Bundesamt erfasst die Tarifabschlüsse immer erst nachlaufend, wenn die höheren Löhne bei den Arbeitnehmern ankommen. Der Metall-Abschluss greift aber erst im Juli. Der des öffentlichen Dienstes gilt zwar rückwirkend zum 1. März; die Auszahlung ist aber erst für Juli oder August geplant.

          Wie aus dem Umfeld der Kommission zu erfahren war, wurde das Bundesamt genau deshalb schon im Mai mit einer Simulationsrechnung beauftragt. Deren Ergebnis lautet: Würde man den öffentlichen Dienst mitrechnen, käme eine Steigerung um 3,9 Prozent auf 8,83 Euro heraus. Würde zudem der Metall-Abschluss eingerechnet, wären es 4,3 Prozent oder 8,87 Euro. Auch das wäre formal schon eine Abweichung vom Tarifindex. Eine Änderung der Berechnungsmodalitäten sei derzeit weder geplant noch rechtlich möglich, erläuterte die Behörde auf Anfrage.

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