Billige Lebensmittelpreise : Gipfel der großen Worte
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Aktivisten der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Umweltschutzorganisation Greenpeace protestieren vor dem Bundeskanzleramt. Bild: dpa
Der Handel sind die Bösen und die Landwirte die Guten? Nach dem Lebensmittel-Gipfel im Kanzleramt sind die Rollen klar verteilt. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Auf ihren Plakaten steht „Essen verdient einen fairen Preis“, „Verbietet Billipreis-Werbung für Lebensmittel“, „Billigfleisch kostet uns die Zukunft“: Zum großen Lebensmittelgipfel im Kanzleramt hat sich eine ungewöhnliche Allianz im Berliner Regierungsviertel postiert. Gewöhnlich gehen die Interessen von Umweltschützern und Landwirtschaftsverbänden weit auseinander. Nun aber protestieren Vertreter von Greenpeace und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Seite an Seite gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Lebensmittelpreise in Deutschland und fordern die Bundesregierung zum Umsteuern auf.
Seit Wochen erhitzen die Lockvogelangebote der Supermärkte die Gemüter, etwa die Hähnchenschenkel für 20 Cent je 100 Gramm, die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) immer wieder als Beispiel nennt. Sie drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deshalb dazu, die Chefs der vier großen Supermarktketten – Edeka, Rewe, Lidl/Kaufland und Aldi – zum Krisengespräch ins Kanzleramt zu laden.
Doch wie es bei Gipfeln so oft ist: Die Ergebnisse sind überschaubar, wie sich auch am Montag zeigt. „Worauf wir uns geeinigt haben, ist der Start eines Prozesses“, sagte Klöckner nach dem Treffen. So soll es eine „Kommunikationsallianz“ geben von Landwirten und Handel, um in der Bevölkerung die Wertschätzung von Lebensmitteln zu erhöhen – ein Vorschlag der Kanzlerin. Zudem ist eine Beschwerdestelle geplant, bei der sich Landwirte melden können, wenn sie sich schlecht behandelt fühlen, aber den Konflikt mit den Einkäufern der Supermarktketten scheuen. Eine neue Untersuchung soll darüber hinaus klären, ob sich die Marktmacht der „Big Four“ erhöht hat. Die letzte Analyse des Bundeskartellamts, wonach die vier zusammen auf einen Marktanteil von 85 Prozent kommen, stammt auf dem Jahr 2014.
Keine staatlichen Mindestpreise
Staatliche Mindestpreise für Lebensmittel, wie die Grünen es fordern, soll es dagegen nicht geben. „Wir machen keine Preise als Politik, das ist klar“, sagte Klöckner. Zuvor hatte auch schon Merkel sich entsprechend geäußert. Auch von einer Selbstverpflichtung der Landwirte, künftig auf Sonderangebote mit Fleisch zu verzichten, war erstmal keine Rede. Stattdessen soll es nun weitere Gespräche unter anderem mit Molkereien und Fleischverarbeitern geben, die in der Wertschöpfungskette zwischen den Landwirten und dem Handel stehen.
Schon seit einigen Jahren dürfen die Einzelhändler keine Lebensmittel mehr unter dem Einkaufspreis anbieten. Nun rücken die sonstigen Vertragsbedingungen in den Fokus: Wie kurzfristig darf ein Supermarkt eine Bestellung noch stornieren, wie lange darf er sich mit der Bezahlung Zeit lassen? All das regelt die neue EU-Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken, die Deutschland laut Klöckner schon in diesem Jahr in nationales Recht umsetzen will, auch wenn dafür noch bis 2021 Zeit wäre. Zu den geplanten Neuerungen zählt auch, dass der Landwirt eine Extra-Vergütung erhalten muss, wenn der Handel von ihm Umweltstandards einfordert, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen.