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Hanks Welt : Herbert Grönemeyer will die Reichen schröpfen

„Künstler! Hilfe! Jetzt!“, forderten Teilnehmerinnen eines Protestmarschs im August in Berlin. Bild: Gerhard Westrich/laif

Der Sänger schlägt vor, dass Wohlhabende Sonderzahlungen leisten, um sich „solidarisch“ zu verhalten. Dreist und billig ist es, mal wieder die Reichen zur Kasse zu bitten.

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          Einen „groben Gedanken in eigener Sache“ nennt der Sänger Herbert Grönemeyer seinen Vorschlag einer Solidaritätssonderzahlung der Vermögenden in Zeiten von Corona. Das geht so: Die Wohlhabenden erklären sich bereit zu einer zweimaligen Sonderzahlung von Beträgen zwischen 50.000 und 150.000 Euro. Als „wohlhabend“ definiert Grönemeyer die 1,8 Millionen Vermögensmillionäre in Deutschland. Verhalten sich alle „solidarisch“ und zweigen von ihrer Habe einen mittleren Betrag ab, so kommen ad hoc circa 200 Milliarden Euro jährlich zusammen.

          Rainer Hank
          Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Was mit dem Geld passieren soll, wie es verteilt wird, wer alles sich zu Künstlern und Komparsen zählen darf, mit solchen Nebensächlichkeiten hält der Barde aus Bochum sich nicht weiter auf. Ihm reicht zur Begründung des neuen Corona-Solis der Verweis auf die Familienähnlichkeit unserer Gesellschaft – Brüder und Schwestern in einem guten Land halten zusammen, der reiche Onkel alimentiert die arme Nichte.

          Weil Grönemeyer aus guten Gründen seinem Appell an die Freiwilligkeit nicht traut, folgt der Ruf nach dem Staat auf dem Fuße: Die von der Merkel-Regierung angebotene einmalige Kompensation von 75 Prozent des durchschnittlichen Vorjahresumsatzes für den Monat November 2020 reiche bei weitem nicht aus. Das Mindeste, so Grönemeyer, wäre eine dauerhafte monatliche Grundsicherung für die Künstler. Schließlich leiste der Kulturbetrieb viel für den Zusammenhalt der Gesellschaft und habe in Vor-Corona-Zeiten üppig Steuern an das Gemeinweisen abgeführt.

          Corona-Profiteur

          Nun ist es schon ein wenig putzig, wenn „der kommerziell erfolgreichste Musiker Deutschlands“ (Wikipedia) und mutmaßliche Mehrfachmillionär Grönemeyer sich als Verfasser von öffentlichen Corona-Bettelbriefen profiliert. Mit Sicherheit gehört er selbst zu den Corona-Profiteuren. Sein jüngstes Album „Tumult“, das ich beim Schreiben dieser Kolumne gern gestreamt habe, läuft gewiss nicht nur in meinem Homeoffice.

          Für jeden Song fallen bei Spotify 0,4 Cent für den Künstler ab, mager im Einzelfall, mit der Zeit läppert es sich. Grönemeyer würde entgegnen, dass er gar nicht egoistisch für die Maximierung seines eigenen Einkommens kämpfe, sondern sich als Anwalt für die Entrechteten verstehe, die keine Stimme haben, um in großen deutschen Magazinen und Wochenzeitungen Gehör zu finden. Die Kunst hat keine Lobby, so heißt es ja immer.

          Viele Künstler leiden

          Nun wollen wir gar nicht bestreiten, dass viele Künstler in diesen Tagen leiden. Sie leiden vor allem dann, wenn sie ihre Kunst nicht vor Publikum zu Gesicht und Gehör bringen können. Dabei geht es ihnen um viel mehr als nur darum, ein Einkommen zu erzielen. Man konnte es spüren in den Monaten Juli bis Oktober, welch ein befreiendes Aufatmen Musiker und Zuhörer erfasste, wenn sie sich unter Wahrung des AHA-Abstands wieder näherkommen durften.

          Das alles, wie gesagt, soll nicht bestritten werden. Mit Nachdruck widersprechen will ich aber dem pauschalen Gejammere, Kunst und Künstler seien allesamt Opfer der Pandemie. Falsch ist auch die ständig wiederholte Behauptung, Kultur habe hierzulande keine Lobby. Dreist und billig ist es überdies, mal wieder die Reichen zur Kasse zu bitten. Und gefährlich ist am Ende, die „Kulturschaffenden“ als eine Zweck- und Beschäftigungsgesellschaft der Nation zu behandeln, eine Art Unterabteilung des öffentlichen Dienstes.

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