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Wissenschaftler haben Testpersonen Elektroden eingepflanzt. Bild: Picture-Alliance

Leistungssteigernde Implantate : Doping fürs Gehirn

Wissenschaftler haben Testpersonen Elektroden ins Gehirn eingepflanzt – und damit ihre Gehirnleistung kräftig gesteigert. Eine neue Hoffnung für Demenzkranke?

          2 Min.

          Forscher und Unternehmen auf der ganzen Welt arbeiten daran, Signale aus Gehirnen aufzufangen und zu entschlüsseln. Oder umgekehrt: Signale in Gehirne einzugeben, um dort bestimmte Reaktionen hervorzurufen. Elon Musk hat mit Neuralink ein Unternehmen gegründet, das sich mit Gedankensteuerung beschäftigt. Und Facebook plant, die Gedanken von Nutzern in Text zu verwandeln, ohne dass sie ein Wort aufschreiben, eintippen oder aussprechen müssen.

          Hanna Decker
          Redakteurin in der Wirtschaft.

          Die Forschung an sogenannten Brain-Computer-Interfaces – also Schnittstellen zwischen Gehirn und Maschine – könnte in Zukunft zum Beispiel gelähmten Menschen helfen, die derzeit einzelne Körperteile nicht mehr bewegen können. Forschern in Freiburg und in Genf ist es bereits gelungen, Menschen per Gedanken Roboter steuern zu lassen.

          Aber auch die Gehirnleistung selbst lässt sich wohl noch steigern. Wissenschaftler der Universitäten Pennsylvania und Thomas Jefferson ist jetzt Erstaunliches gelungen: Sie setzten 25 Testpersonen winzige Elektroden ins Gehirn ein. Diese waren in der Lage, ihre Erinnerung um 15 Prozent zu verbessern. Im Schnitt verlieren Demenzkranke etwa 15 Prozent ihrer Gehirnleistung innerhalb von zweieinhalb Jahren.

          Herzschrittmacher fürs Gehirn

          Das Instrument funktioniert wie eine Art Herzschrittmacher fürs Gehirn, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“. Demnach sendet es elektrische Impulse zur Unterstützung des Gehirns, wenn es Schwierigkeiten hat, neue Informationen zu speichern. Wenn das Gehirn hingegen gut funktioniert, bleibt das Instrument passiv.

          An der Studie nahmen 25 Patienten teil, die unter Epilepsie leiden. Die Wissenschaftler bestimmten im Gehirn der Personen (vereinfacht gesagt) die Abläufe, wenn das Gehirn gut funktioniert und wenn es nicht so gut funktioniert. Dann gaben sie den Patienten eine Liste mit Wörtern und baten sie, sich diese einzuprägen und diese nach einer Pause aus der Erinnerung wiederzugeben. Dieses Vorgehen wiederholte jeder Patient mehrmals.

          Manche Listen merkten sich die Patienten mit Hilfe des Gehirnstimulationsinstruments, manche ohne. Wenn das Instrument eingeschaltet war, gelang es ihnen um 15 Prozent besser, die Wörter wiederzugeben. „Ich kann ehrlich gesagt nicht sagen, wie genau die Stimulation mein Gedächtnis beeinflusst hat“, sagte eine Testperson gegenüber der „New York Times“. „Man merkt gar nichts, man weiß nicht, ob es ein- oder ausgeschaltet ist.“

          Implantate im Gehirn : Gelähmter kann sich wieder bewegen

          Schon heute sind ähnliche Implantate im Einsatz, die abnormale Gehirnaktivität blockieren können, etwa bei Patienten, die an Parkinson oder Epilepsie erkrankt sind. Die heutige Forschung wird nach Angaben der „New York Times“ unter anderem mit mehr als 70 Millionen Dollar vom amerikanischen Verteidigungsministerium finanziert. Ein Ziel ist es, Behandlungen für Soldaten zu entwickeln, die in den Kriegen im Irak oder in Afghanistan Traumata erlitten.

          An noch mehr Menschen testen

          Das Bahnbrechende an den neuen Implantaten ist: Die Elektroden lesen nicht nur die Aktivität im Gehirn, sie können sie auch stimulieren. „Geschlossene Schleife“ (closed loop system) nennen die Wissenschaftler das. Maschinelles Lernen - eine bestimmte Form der Künstlichen Intelligenz - soll helfen, das System noch weiter zu verbessern.

          Noch wird mit den neuen Implantaten experimentiert. Aber die neue Technik könnte die Leistung von funktionierenden Gehirnen in Zukunft entscheidend verbessern, sagen die Autoren der Studie voraus. Sie diskutieren schon, wie man sie einmal auf den Markt bringen könnte. Andere Neurowissenschaftler schätzen die Studie als „innovativ“ und „aufregend“ ein. Andererseits: Man müsse die Instrumente an deutlich mehr Personen testen, zum Beispiel an Demenzkranken. Der Eingriff in das menschliche Gehirn sei eine extrem schwierige Operation. Und: Um Studenten das Lernen zu erleichtern, sei dieses Instrument wohl eher nicht geeignet.

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