ESM-Vertrag : Euro-Krisenfonds bekommt neue Aufgaben
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Wie entwickelt sich die Währungsunion weiter? Bild: dpa
Schon 2017 kam es zu einer Grundsatzentscheidung, jetzt steht der ESM-Vertrag kurz vor dem Abschluss. Beschleunigt wurde der Prozess wohl auch durch die Corona-Pandemie.
Die seit vielen Jahren geplante, aber lange umstrittene Reform des Euro-Krisenfonds ESM ist endlich beschlossen. Die Eurofinanzminister haben sich in einer Videokonferenz am Montagabend auf einen Kompromiss geeinigt, der dem Fonds vor allem neue Aufgaben in der Abwicklung von Banken zuweist. Von 2022 an – und damit zwei Jahre früher als zunächst geplant – soll der ESM dem Bankenabwicklungsfonds SRF Kredite gewähren können, wenn dieser auf sie angewiesen ist („Backstop“).
Bisher kann der ESM nur Staaten Geld leihen. Der Chef der Eurogruppe, Irlands Finanzminister Paschal Donohoe, sagte nach den Beratungen, die Minister wollten den geänderten ESM-Vertrag im Januar unterzeichnen. Danach müssen die Parlamente der Mitgliedstaaten den neuen Vertrag ratifizieren. Das werde bis zu einem Jahr dauern, sagte ESM-Chef Klaus Regling. Die Einigung sei ein wichtiger Schritt zur Vollendung der Bankenunion, sagte Donohoe.
Im Kern stand die jetzt gefundene Einigung schon im Dezember 2018 fest, wurde aber nie endgültig beschlossen, weil einzelne Mitgliedstaaten immer wieder Einwände erhoben. Die Idee eines „Backstops“ des ESM für die Bankenabwicklung stammt aus der Eurokrise. Grundsätzlich hat die EU beschlossen, dass für eine Bankenpleite nicht mehr die Steuerzahler, sondern die Banken selbst haften sollen. Dafür ist die Bankenabwicklungsbehörde SRM unter Leitung der Deutschen Elke König eingerichtet worden. Er hat einen Fonds – den SRF – zur Verfügung, dessen Funktion in der Finanzierung einer Bankenabwicklung besteht.
Der SRF wird aus Bankenabgaben befüllt und soll bis 2024 ein Volumen von mindestens 60 Milliarden Euro erreichen. Derzeit umfasst er 47 Milliarden Euro. Als der SRF beschlossen wurde, bestand die Sorge, dessen Mittel könnten nicht ausreichen, weil zu viele Banken in Gefahr gerieten. Daraus entstand die Idee, der ESM könne in diesem Fall einspringen. Der mit einem Ausleihvolumen von rund 500 Milliarden Euro deutlich finanzkräftigere (und aus Steuermitteln mitfinanzierte) ESM soll, so die Backstop-Lösung, dem Abwicklungsfonds im Notfall mit Krediten aushelfen.
Streit zwischen Deutschland und Italien
Den „Backstop“ aus ESM-Mitteln hatten die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) schon 2013 ins Spiel gebracht. Vor allem der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wehrte sich lange mit dem Argument gegen diese Lösung, dass zuerst die Bankenrisiken abgebaut werden müssten. Die Eurogruppe erzielte dann aber erstmals im Oktober 2017 eine Grundsatzeinigung, im Dezember 2018 und 2019 erfolgten ähnliche Übereinkünfte, ohne dass der ESM-Vertrag wirklich verändert wurde. Der Streit wurde auch in den vergangenen Monaten und Jahren entlang der bekannten Konfliktlinien in der Diskussion um die Bankenunion geführt. Während vor allem die Mittelmeerländer auf eine rasche Vergemeinschaftung von Bankenrisiken drangen und dringen, forderten „nördliche“ Staaten unter deutscher Führung, dass die Bankenrisiken zuvor gesenkt werden.
Diese Debatten setzten sich am Montag bis in die Videokonferenz fort, die wegen eines Streits zwischen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und seinem italienischen Amtskollegen Roberto Gualtieri noch einmal für eine Stunde unterbrochen werden musste. Die beiden Politiker diskutierten über die Zeichensetzung in einer Fußnote. „Es gibt Entscheidungen, insbesondere auf EU-Ebene, die klingen so technisch, dass man ihre politische Wirkung zunächst schwer erkennt“, sagte Scholz anschließend. „Die ESM-Reform stärkt den Euro und den gesamten europäischen Bankensektor. Denn wir machen die Eurozone noch robuster gegenüber den Attacken von Spekulanten.“ Gualtieri sagte, die rasche gemeinsame Absicherung des Bankenfonds sei im Sinne Italiens.
Ursprünglich sollte der „Backstop“ erst Anfang 2024 möglich werden. Die Eurogruppe hatte aber 2018 beschlossen, ihn vorzuziehen, wenn die Bankenrisiken genug gesenkt worden sind. Nach Donohoes Einschätzung ist diese Voraussetzung erfüllt, da die Banken seither den Bestand an notleidenden Krediten erheblich reduziert hätten.