Kreuzfahrtbranche : Wer denkt denn schon an Schiffbruch
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Die Reiseveranstalter melden: Niemand storniert seine Kreuzfahrt Bild: dapd
Vom Schüler bis zum Rentner: Alle gehen an Bord. Kreuzfahrtschiffe werden immer größer, die Ausstattung immer irrwitziger. Glasbläserei und Wildwasserbahn dürfen nicht mehr fehlen.
Tausende sind gekommen, um das Riesenschiff zu sehen. Sie standen Spalier entlang der Ems, als am vergangenen Freitag die nagelneue „Disney Fantasy“ aus der Meyer Werft in Richtung Nordsee gezogen wurde. Es ist das größte Kreuzfahrtschiff, das eine deutsche Werft je baute: 340 Meter lang, 130.000 Tonnen schwer, 500 Millionen Euro teuer. Wenn der Gigakutter bald zur Jungfernfahrt in die Karibik aufbricht, werden die 1250 Kabinen ausgebucht sein.
Daran kann auch ein tollkühner italienischer Kapitän nichts ändern. Mag er vor der toskanischen Insel Giglio ein ganz ähnliches Riesenschiff auf einen Felsen gesteuert haben, mögen dabei elf Menschen ihr Leben verloren haben, mag die Havarie der größte Versicherungsschaden in der Geschichte der Seefahrt sein - die Kreuzfahrtindustrie wird keinen Schiffbruch erleiden.
Menschenmassen auf schwimmenden Städten
Im 100. Jahr des „Titanic“-Untergangs stürmen die Passagiere nur so die Gangways hinauf. 2 Millionen deutsche Kreuzfahrer zählt die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, und noch 2 Millionen Deutsche planen eine erste Kreuzfahrt. Für sie gehen dieses Jahr acht neue Riesenschiffe vom Stapel. Bald erreichen die Umsätze der Reedereien die Marke von 2 Milliarden Euro. Auch nach der „Costa“Havarie sei von Storno keine Spur, melden die Reiseveranstalter erleichtert.
Viele Deutsche gruseln sich vor einem Flug im Mega-Airbus380 mit seinen 835 Plätzen. Aber mit Tausenden von Menschen auf den endlosen Weiten des Pazifischen Ozeans dümpeln, notfalls in der fensterlosen Innenkabine? Kein Problem!
Menschenmassen auf schwimmenden Städten, so sieht das moderne Kreuzfahrtgeschäft aus. Damit sich niemand langweilt, wird die Ausstattung immer irrwitziger. Wenn die 4000 Passagiere der „Disney Fantasy“ sich auf den 14 Decks eingerichtet haben, können sie eine 245 Meter lange Wildwasserbahn hinabsausen, einen Wanderweg erkunden oder Minigolf spielen. Sie können auf 1335 Sitzplätzen im Theater Platz nehmen, ihre Kinder im „Oceaneer Club“ absetzen und sich im „Senses Spa“ verwöhnen lassen. Abends futtern sie sich durch sechs Restaurants im Schneewittchen- oder Versailles-Design und süffeln sich durch Bars mit Namen wie „Ooh La La“.
Jeder Auftrag bringt neue Sonderwünsche
„Ein Kreuzfahrtschiff muss so kompakt geplant sein, dass es nie in einem Bereich leblos oder starr ist“, sagen Siegfried Schindler und Kai Bunge, die Geschäftsführer von Partner Ship Design. Ihr Architekturbüro ist seit 30 Jahren auf den Bau von Passagierschiffen spezialisiert. Der „Flow“ der Menschen müsse uneingeschränkt sein, jeder Bereich seine eigene Atmosphäre haben, aber das Schiff ein harmonisches Ganzes sein.
Wenn die harmonischen Giganten die Häfen der Bahamas-Inseln oder Mittelmeer-Örtchen ansteuern, verdunkeln ihre Schatten die Kaffeeterrassen an der Hafenpromenade. Die Bucht um den gestrandeten Riesen „Concordia“ gleicht einem Kinderplanschbecken.