Wirtschaftsgeographie : Die Globalisierung kennt Grenzen
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Entfernung spielt keine Rolle. So lautet der Konsens in der Globalisierungsdebatte. Falsch, sagt die neue Wirtschaftsgeographie. Der Handel bleibt teuer, die lokale Produktion hat viele Vorteile. Dennoch ist die Globalisierung nicht tot. Sie verändert alles - sogar die Landkarten.
Eine Barbie kennt keine Nationalität. Konzipiert wird die berühmte Kinderpuppe in den Labors des Herstellers Mattel in Kalifornien. Die Plastik für den Puppenkörper kommt aus Taiwan, die Kunsthaare aus Japan und ihre Kleidung aus China. Aus Amerika stammen die Farben, mit denen die Puppe bemalt wird, sowie der Karton für ihre Versendung. Die eigentliche Produktion findet in Indonesien und Malaysia statt, an die sich ein Qualitätstest in Kalifornien anschließt. Vertrieben wird Barbie dann in alle Welt.
Barbie steht für die Globalisierung der Wirtschaft. Die Globalisierung verändert die Welt mehr als jede andere Kraft; sie setzt Menschen und Güter schneller und häufiger in Bewegung als früher. Sie stärkt das Wirtschaftswachstum in bevölkerungsstarken asiatischen Schwellenländern und stürzt die etablierten Wirtschaftsmächte des Westens in Zukunftsängste.
Handel bleibt teuer
Die Globalisierung gilt vielen als eine unwiderstehliche Kraft. Doch das muß nicht so sein, wie ein Effekt zeigt, den die Wirtschaftsgeographie mit dem Anglizismus „Distance is not dead“ (Entfernungen spielen eine Rolle) bezeichnet und der auf die Vorteile einer lokalen Produktion verweist. Denn Handel bleibt teuer: Seine Kosten machen im Durchschnitt 30 Prozent des Wertes der transportierten Güter aus. Gleichzeitig verlangsamt sich der Produktivitätsfortschritt in der Herstellung von Schiffen und Flugzeugen, während die Kosten für Energie und Sicherheit zunehmen.
Daher kommt die von den reichen Ländern befürchtete Angleichung der Löhne nur langsam voran. Der Ökonom Douglas A. Irwin zitiert eine zehn Jahre alte Feststellung Paul Krugmans: „Obwohl der Welthandel größer ist denn je, hängt der Lebensstandard eines Landes überwiegend von heimischen Faktoren ab und weniger vom Wettbewerb durch den Weltmarkt.“
Gute Infrastruktur ist wichtig
Dennoch ist die Globalisierung natürlich nicht tot. Begünstigt wird sie durch das, was der Harvard-Ökonom Richard Freeman die „Verdoppelung der Arbeitskraft in der Welt“ nennt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind 760 Millionen Chinesen, 440 Millionen Inder und 260 Millionen Menschen aus den Nachfolgerepubliken der ehemaligen Sowjetunion in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung eingetreten.
Hinzu treten zumindest bislang erhebliche Fortschritte im Transport mit Containerschiffen, vor allem aber mit rasch wachsenden Flotten von Frachtflugzeugen. In den Vereinigten Staaten schätzt man den Wert des Zeitgewinns durch optimale Logistik auf 12 bis 13 Prozent des Wertes der transportierten Güter. Eine gute Infrastruktur bleibt daher wichtig. Sie bildet nach Ansicht des Ökonomen Irwin einen Grund, warum das abgelegene Australien in die internationale Arbeitsteilung eingebunden ist, wesentliche Teile Afrikas aber nicht.
Globalisierung verändert Geographie der Erde
Fortsetzen dürfte sich auch der Trend zu einer erheblichen Spezialisierung. Nach einer Beobachtung des Wirtschaftsgeographen Tony Venables verkauft die Textilindustrie in Bangladesch mit Erfolg Hemden, Hosen und Hüte - aber keine Bettwäsche. Die produzieren die Kollegen in Pakistan.
Die Globalisierung verändert somit die Geographie der Erde, aber ein überall gültiges Muster ist nicht erkennbar. So läßt sich in Asien eine Ausbreitung des Wachstums von reichen und dynamischen Zentren (Japan) auf Regionen mit niedrigen Transportkosten erkennen, etwa Küstenzonen von Nachbarländern (China). Dort findet dann eine gewaltige Urbanisierung statt: China erwartet eine Verdoppelung seiner Stadtbevölkerung auf eine Milliarde Menschen bis 2030. Ein vergleichbarer Entwicklungsprozeß findet in Afrika nicht statt.