Wirtschaftswachstum : Da geht nichts voran
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Und wie kommen wir jetzt weiter? Bild: Lucas Wahl
Europa, Amerika, Japan – überall wächst die Wirtschaft langsamer als früher. Liegt es an den vielen alten Menschen?
Achtung, dieser Text kann Ihnen die Laune verderben! Dabei hat Deutschland gerade beste Laune, wirtschaftlich gesehen zumindest. Es gibt so wenig Arbeitslose wie seit Jahren nicht mehr, die Steuereinnahmen sind hoch, die Firmen haben zu tun, die Leute kaufen ordentlich ein, nehmen Kredite auf, bauen Häuser. Deutschlands Wirtschaft – so könnte man es sagen – schmeißt eine Party mit Erdbeerbowle.
Doch auf jeder allzu wilden Party gibt es immer einen, der am Ende das Licht anschaltet und „Die Party ist vorbei“ ruft. In diesem Artikel spielt diese Rolle Clemens Fuest, der neue Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo in München. Er sagt: „Meines Erachtens ist das größte wirtschaftliche Problem, das wir derzeit haben, der Rückgang des Wachstums. Auch in Deutschland.“
Das passt kaum mit dem aktuell guten Gefühl der Deutschen zusammen. Um Fuest zu verstehen, muss man einen Schritt zurücktreten und nicht nur auf die Arbeitslosenzahlen blicken, sondern auf das Wachstum. Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent gewachsen, für dieses Jahr rechnen die Prognostiker mit 1,6 Prozent. Das ist für unsere Verhältnisse nicht schlecht, aber auch nicht berauschend. Und es ist ziemlich wenig, wenn man überlegt, mit welchen Anstrengungen dieses Wachstum erkauft wurde.
Die Notenbanken in der ganzen entwickelten Welt haben seit der Finanzkrise im Herbst 2008 die Leitzinsen (fast) auf null gesenkt und in großem Maße Staatsanleihen gekauft. Die Europäische Zentralbank allein kauft für wahnsinnige 1,7 Billionen Euro Anleihen. Dabei war es bis vor der Finanzkrise noch undenkbar, dass sie jemals solch ein Programm beginnt.
Ein Boom sähe anders aus
Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat für Wirtschaft, wundert sich über die ausbleibenden Effekte. „Hätte man mir das vor zehn Jahren erzählt, so hätte ich innerhalb kurzer Zeit mit zweierlei gerechnet: mit hoher Inflation und mit hohem Wachstum“, sagt er.
„Aber nichts davon gibt es jetzt.“ Die Inflation ist extrem niedrig, und das Wachstum hat sich zwar europaweit wieder etwas erholt, es gibt auch positive Ausreißer nach oben, aber eben auch Ausreißer nach unten. Ein Boom in Europa sähe anders aus. 2015 wuchs der Euroraum etwa im gleichen Tempo wie Deutschland: um 1,7 Prozent.
Eine Gemächlichkeit, die nervös macht
Ähnliches gilt für die ganze entwickelte Welt. Die meisten Industrieländer haben sich zwar nach der Krise erholt, haben es aber nicht geschafft, wieder wachstumsmäßig an frühere Zeiten anzuknüpfen. Es ist zwar noch keine lang andauernde (säkulare) Stagnation, die wir erleben, wie sie der amerikanische Ökonom Larry Summers beschwört – immerhin wächst die Weltwirtschaft. Es ist aber eine Gemächlichkeit eingekehrt, die nervös macht.
Viele Menschen mögen das jetzt gar nicht schlimm finden. „Wir haben doch alles, was wir brauchen“, sagen sie. „Was soll das Immer-mehr?“ Doch eine Wirtschaft ganz ohne Wachstum hat ein Problem. Es geht um Verteilung. Wo mehr entsteht, ist es leichter, diesen Zuwachs neu zu verteilen. Wachstum entschärft Verteilungskonflikte. Außerdem ist es keinesfalls so, dass wir schon alles haben.