Warnung vor Rezession : Lagarde will Rekapitalisierung von Europas Banken
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Die Chefin und ihr einstiger Widersacher: In Jackson Hole trafen IWF-Direktorin Christine Lagarde und ihr vormaliger Gegenkandidat Agustín Carstens aufeinander Bild: dapd
Die Chefin des Währungsfonds warnt auf der Notenbankkonferenz in Jackson Hole vor globaler Rezession. Europas Banken sollen zwangsweise rekapitalisiert werden.
Die Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hat die europäischen Staaten aufgefordert, die Banken zwangsweise in substantiellem Umfang zu rekapitalisieren. Zuerst müsse es dabei um privates Kapital gehen, notfalls aber müssten öffentliche Geldmittel eingesetzt werden, sagte Lagarde auf der Notenbankerkonferenz in Jackson Hole, Wyoming. Sie empfahl, den Europäischen Finanzstabilitätsfonds EFSF oder andere Fonds einzusetzen. So ließe sich vermeiden, dass noch größere Lasten auf verwundbare Regierungen gelegt würden. Eine Rekapitalisierung sei dringend, weil die Wirtschaftsschwäche sich leicht auf die Euro-Kernländer ausbreiten könne oder eine Liquiditätskrise drohe.

Korrespondent für Wirtschaft und Politik in Japan mit Sitz in Tokio.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, wies die Idee einer möglichen Liquiditätskrise in Europa dagegen von sich. Diese Idee sei „komplett falsch“, sagte er in Jackson Hole. Die Zentralbank stellt bei ihren Refinanzierungsgeschäften mit den Banken nach wie vor unbegrenzt monetäre Liquidität zur Verfügung.
Lagarde warnte, dass die Weltwirtschaft in einer gefährlichen neuen Phase sei. Die großen Risiken seien die Haushaltslage in den meisten Industriestaaten, die Banken in Europa und die Lage der Haushalte in den Vereinigten Staaten. Die Regierungen müssten umgehend, entschieden und gemeinsam handeln, sagte sie. Wenn die Industriestaaten in eine Rezession fielen, entkämen die Schwellenländer nicht. Lagarde plädierte dafür, kurzfristig der Konjunktur und dem Arbeitsmarkt weiter steuerpolitisch aufzuhelfen oder die Konsolidierung zu verlangsamen. Den Spielraum dafür müssten langfristige Pläne zum Defizitabbau schaffen, indem etwa Fiskalrisiken in der Renten- oder Gesundheitsvorsorge angegangen würden. Die Geldpolitik müsse weiter in hohem Maße die Wirtschaft unterstützen.
Die Sorge um die Weltwirtschaft und die Staatsfinanzen bestimmten die Stimmung auf der Notenbankkonferenz. Der Vorsitzende der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve, Ben Bernanke, hatte zum Auftakt die Finanzpolitik in Washington scharf kritisiert. Die Herabstufung des Ratings der Vereinigten Staaten und die Kontroverse um die Schuldengrenze habe das Vertrauen von Haushalten und Unternehmen beschädigt und stelle andauernde Wachstumsrisiken dar. Die fiskalische Nachhaltigkeit müsse dringend angegangen werden, ohne die Zerbrechlichkeit der wirtschaftlichen Erholung zu gefährden, argumentierte er wie Lagarde. Der Fed-Vorsitzende diskutierte keine weiteren Schritte der Fed und erklärte, man werde auf der Sitzung im September Kosten und Vorteile geldpolitischer Mittel diskutieren. Die Notenbank sei aber vorbereitet, weitere Schritte zu unternehmen. Trichet verzichtete auf konkrete Kommentare zur Geldpolitik der EZB.
Die Interpretationen, ob Bernanke eine Lockerung der Geldpolitik in Aussicht gestellt hatte, schwankten. Der Chicago-Ökonom Randall Kroszner, früher selbst Mitglied in Gouverneursrat der Fed, verstand Bernanke eher so, dass die Bank eine Warteposition eingenommen habe. „Die Fed kann die Grundlagen für Wachstum stellen, aber sie kann nicht Unternehmen zu Einstellungen bewegen oder Menschen zum Konsum“, sagte Kroszner in Jackson Hole. Die Verlängerung der Sitzung des Offenmarktausschusses im September auf zwei Tage wird von Marktteilnehmern dagegen so interpretiert, dass die Fed dann eine Entscheidung fällen werde.
Regionale Fed-Präsidenten kritisierten am Rande der Konferenz den Beschluss von Anfang August, die Nullzinspolitik für mindestens zwei Jahre fortzuführen. Indirekt kritisierte auch der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Stephen Cecchetti, die lockere Geldpolitik der Fed. „Wir in der BIZ stimmen mit Ihnen überein“, lobte Cecchetti den Fed-Präsidenten von Kansas, Thomas Hoenig. Hoenig, der Gastgeber der Notenbankkonferenz, hatte 2010 stets gegen eine weitere Lockerung der Geldpolitik gestimmt.