Wachstum im dritten Quartal : Warum die Wirtschaftsleistung doch wieder zulegt
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Der Außenhandel läuft wieder besser. Bild: AP
Die Rezession ist vorläufig abgesagt – und die Prognosen vieler Ökonomen lagen wieder mal knapp daneben. Doch Entwarnung wäre verkehrt. Das liegt auch daran, dass die deutsche Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit verliert.
Brexit-Chaos, Handelsstreit, politische Unruhen in Hongkong, am persischen Golf und im hochverschuldeten Italien – viele Faktoren trugen in den vergangenen Monaten dazu bei, dass der Welthandel erlahmte und die exportorientierte deutsche Wirtschaft empfindliche Geschäftseinbußen erlitt. Seit anderthalb Jahren befand sich die Nachfrage nach Industriegütern im Sinkflug. Die Exporte traten auf der Stelle, und gerade in der Autoindustrie gehen seit einiger Zeit Konjunkturflaute und Strukturwandel Hand in Hand.
Dauerhaft befriedet konnten die genannten Unruheherde bislang nicht. Weil sie aber etwas an Bedeutung verloren haben, zeigte die deutsche Wirtschaft zuletzt leichte Erholungstendenzen. Die Industrieaufträge zogen wieder an, die Geschäftserwartungen laut Ifo-Befragung stabilisierten sich im September wie im Oktober. Auch der Außenhandel vermeldete wieder bessere Zahlen. All das dürfte Grund dafür gewesen sein, dass sich der Rückgang der Wirtschaftsleistung von minus 0,2 Prozent im zweiten Quartal nicht fortgesetzt hat – und nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts im dritten Quartal sogar ein Plus von 0,1 Prozent zu Buche schlägt. Das am Donnerstag von der europäischen Statistikbehörde Eurostat bestätigte Wachstum im Euroraum war mit 0,2 Prozent noch ein wenig, aber nur minimal höher als allseits erwartet.
Die Prognosen vieler Ökonomen lagen damit wieder einmal knapp daneben. Das Berliner DIW etwa hatte einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ein Abgleiten in die sogenannte technische Rezession erwartet. „Die positive BIP-Rate ist etwas überraschend – die uns vorliegenden Indikatoren haben eher eine rote Null oder einen negativen Wert signalisiert“, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen der F.A.Z. Die Exporte im September seien stark ausgefallen. Unerwartet stark scheine sich aber vor allem der private Konsum entwickelt zu haben. Auch die Bauproduktion habe ihren Trend fortgesetzt.
„Auf dem Teppich bleiben“
Tatsächlich ist die Zweiteilung der deutschen Wirtschaft nach wie vor Grund, dass Verbraucher den Abschwung bislang allenfalls am Rande wahrgenommen haben: Während das verarbeitende Gewerbe spürbar kriselt, halten sich Arbeitsmarkt und sämtliche Nicht-Industriezweige ausgesprochen stabil. Der befürchtete Abwärtssog blieb bislang aus. Stellenabbau hat Seltenheitswert und ist eher dem Strukturwandel geschuldet, siehe Autozulieferer. Das stützt den Konsum. „Wir haben keine Rezession im Sinne eines breiten, tiefer gehenden Rückgangs der Wertschöpfung“, sagte deshalb Volker Wieland, Frankfurter Ökonom und einer der fünf „Wirtschaftsweisen“, vergangene Woche im Gespräch mit der F.A.Z.
Während sich die Industrie tatsächlich in einer Rezession befinde, laufe der Dienstleistungssektor, der auch vom Konsum getragen wird, nach wie vor gut. Allerdings sei unklar, ob diese Zweiteilung dauerhaft möglich ist, so Wieland. Mit anderen Worten: Auch wenn die Abwärtsspirale aus Industrieschwäche, Entlassungen und Konsumeinbruch bislang ausblieb und mit den soliden BIP-Zahlen wieder etwas unwahrscheinlicher geworden, ist Entwarnung mit Blick auf strukturelle Herausforderungen, vor allem aber weiter schwelende Risiken in der Außenwirtschaft verkehrt. „Auf dem Teppich bleiben“, kommentierte in diesem Sinne Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
In der Tat erstaunlich
Zum einen habe die seit Jahren zu beobachtende Erosion der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands begonnen, sich negativ in den harten Daten niederzuschlagen. „Zum anderen bleibt die Unsicherheit über die Zukunft des Welthandels selbst dann hoch, wenn sich die Präsidenten Trump und Xi auf einen Handelsvertrag einigen“, so Krämer. „Rezession hin oder her, die deutsche Wirtschaft ist in eine de facto Stagnation gefallen“, meint auch Carsten Brzeski von der ING Bank.