Konjunktur : Wachstum 2005 weltweit vorübergehend schwächer
- Aktualisiert am
Bild: dpa
Die OECD hat wegen der hohen Ölpreise die Wachstumsprognosen für 2005 weltweit gesenkt. Deutschland behält mit der Anfälligkeit seiner einseitig exportorientierten Wirtschaft eine Sonderrolle.
Das Wachstum der Weltwirtschaft wird sich wegen der Bremswirkung der hohen Ölpreise nach Erwartung der OECD im kommenden Jahr abschwächen, 2006 aber wieder etwas an Schwung gewinnen. Eine starke Aufwertung des Euro und ein neuerlicher Ölpreisanstieg könnten Kontinentaleuropa wegen seiner großen Abhängigkeit von Exporten übermäßig belasten. Dies gilt der OECD zufolge vor allem für Deutschland.
Doch die „fetten Jahre“ der Weltwirtschaft sind nicht vorbei: 2006 wird die sich beschleunigende Weltkonjunktur auch die deutsche Wirtschaft erfassen und zu einer spürbaren Entspannung auf dem Arbeitsmarkt führen. Das geht aus dem Wirtschaftsausblick hervor, den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Dienstag in Paris veröffentlichte.
Neue Dynamik schon wieder im Blick
Der Rückschlag für die Konjunkturerholung in den vergangenen Monaten sei enttäuschend und vor allem mit dem Ölpreisanstieg zu erklären, der die Realeinkommen schmälere und die Stimmung in der Wirtschaft belaste. „Dennoch besteht guter Grund zu der Annahme, daß die Weltwirtschaft trotz der jüngsten Ölpreisturbulenzen in nicht allzu ferner Zukunft wieder an Dynamik gewinnen wird", schreibt OECD-Chefvolkswirt Jean-Philippe Cotis. Der Ölpreis sei für diese Prognose allerdings der größte Unsicherheitsfaktor. Die Dollar-Schwäche sei zudem ein Risiko vor allem für Europa.
Während die amerikanische Notenbank (Fed) ihren Leitzins von derzeit 2,00 Prozent nach Ansicht der OECD weiter nach oben schleusen muß, kann sich die Europäische Zentralbank (EZB) dank guter Aussichten für stabile Preise mit einer Zinserhöhung bis 2006 Zeit lassen.
Effekte des drastischen Ölpreisanstiegs
Die OECD senkte ihre Wachstumserwartungen für das kommende Jahr deutlich. „Die weltweite Expansion hat sich verlangsamt, seit die Effekte des drastischen Ölpreisanstiegs zum Tragen kommen", heißt es im Bericht. Für alle 31 OECD-Länder sagt die Organisation jetzt nur noch 2,9 Prozent Wachstum voraus nach 3,3 Prozent bei der Mai-Prognose. Mit 3,1 Prozent erwartet die Organisation aber eine leichte Besserung 2006.
Die Vereinigten Staaten sollen nach geschätzten 4,4 Prozent in diesem Jahr mit 3,3 Prozent im kommenden Jahr den stärksten Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der drei größten Wirtschaftsräume aufweisen. Die historisch niedrigen Zinsen und wieder sprudelnde Unternehmensgewinne dürften zu mehr Investitionen und Beschäftigung führen, was wiederum den Konsum stützen sollte.
Der Euro-Raum soll mit 1,8 Prozent in diesem und 1,9 Prozent im kommenden Jahr noch etwas hinter seinem maximal möglichen inflationsfreien Wachstum zurückbleiben. Die OECD setzt aber darauf, daß die mit der Weltwirtschaft nachlassende Dynamik der Exporte durch eine Erholung der Binnenwirtschaft ausgeglichen wird und prognostiziert für 2006 kräftigeres Wachstum von 2,5 Prozent. Die OECD rechnet vor allem mit höheren Investitionen. Auch der Konsum werde sich erholen, obwohl mehr Beschäftigung erst 2006 zu erwarten sei. Die Eigendynamik könne sich aber nur bei einem möglichst stabilen Wechselkurs und Ölpreis entfalten. Eine starke Aufwertung des Euro und ein erneuter Ölpreisanstieg könnten Kontinentaleuropa wegen seiner großen Abhängigkeit von Exporten übermäßig belasten.
Deutschland nach dem China-Boom
Dies gilt der OECD zufolge vor allem für Deutschland, das 2005 - nach drei Jahren Stagnation und einer vom
„China-Boom“ getragenen leichten Belebung 2004 - ein weiteres schwieriges Jahr erleben werde. Auch die milliardenschweren Steuererleichterungen werden die Binnennachfrage kaum in Schwung
bringen, meint die OECD. Die Wachstumsprognose für 2005 hat sie kräftig gesenkt auf 1,4 Prozent von 2,1 Prozent im Mai-Ausblick. Denn China und Indien bremsen ihre Einkäufe, was sich in einem Rückgang des Exportwachstums von 8,1 auf 5,7 Prozent niederschlägt. Die Folgen: Deutschland wird mit einem Staatsdefizit von 3,5 Prozent erneut die Maastricht-Hürde von 3,0 Prozent reißen und die Arbeitslosigkeit wird weiter von 9,2 auf 9,3 Prozent steigen.
Doch 2006 wird endlich auch die Binnenkonjunktur des Export-Weltmeisters Deutschland anspringen. Erstmals seit Jahren wird der OECD zufolge dabei die Sparquote sinken - und auch der Export werde wieder schneller zulegen. Dies alles werde das deutsche Wachstum auf 2,3 Prozent treiben. Die Beschäftigung werde um 430.000 auf 38,98 Millionen Erwerbstätige steigen, meint die OECD. Dies werde endlich auch die Arbeitslosenquote spürbar auf 8,9 Prozent drücken.
Kein Preisschock wie in den 70ern
Auf längere Sicht ist nach Einschätzung der OECD-Volkswirte allenfalls ein leichter Rückgang der Ölpreise von derzeit rund 45 Dollar je Barrel Brent-Öl zu erwarten. OECD-Chefvolkswirt Cotis sagte Reuters, die Wirtschaft könne mit einem Preis von rund 40 Dollar aber leben. Der vergangene Ölpreisanstieg werde aber keinen Preisschock wie bei den Ölkrisen der 70er Jahre auslösen, heißt es im Bericht. Eine Lohn-Preis-Spirale sei nicht in Gang gesetzt worden, und die Inflationserwartungen seien auf niedrigem Niveau verankert, was zum Teil der glaubhaft auf Preisstabilität ausgerichteten Zinspolitik zu verdanken sei.
Weltweit müßten die Notenbanken die in den vergangenen Jahren weit geöffneten Geldschleusen allmählich drosseln - je nach Region allerdings in unterschiedlichem Tempo. Die Fed müsse den Leitzins angesichts steigender Lohnstückkosten weiter auf ein neutrales Niveau von 4,00 Prozent bis Ende 2006 anheben. Die Fed hat 2004 den Schlüsselzins in vier Schritten bereits auf 2,00 Prozent erhöht. In der Euro-Zone sei die Inflationsgefahr dagegen gering, so daß die EZB genug Spielraum habe, ihren konjunkturstützenden Zins von 2,00 Prozent 2005 noch beizubehalten und ihn bis Ende 2006 auf 3,00 Prozent anzuheben.