Renationalisierung : Zocken mit der Dicken Bertha
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Dunkle Perspektive für Europa: Renationalisierung heißt der gefährliche Trend. Bild: © NASA/Corbis
Europas Banken saugen sich mit Staatsanleihen voll. Seit Beginn der Krise immer mehr. Wankende Staaten klammern sich an wackelnde Banken. Kann das denn gut gehen?
Banken dürfen nie wieder Staaten erpressen. Diese Lektion hat die Politik angeblich gelernt. Die Wut der Steuerzahler über die milliardenteure Rettung gescheiterter Boni-Banker während der Finanzkrise lodert noch immer. Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, zieht in den Wahlkampf gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Forderung nach Bändigung der Bankenmacht. Tatsächlich macht jedoch der schwarz-gelb-rot-grüne Rettungskurs die Eurozone immer abhängiger von den Banken.
„Renationalisierung“ heißt das Stichwort für diese ungute Entwicklung: Besonders in Südeuropa kaufen fast nur noch die heimischen Banken die Staatsanleihen ihrer Länder. In Griechenland oder Spanien klammern sich wankende Staaten verzweifelt an die wackelnden Banken ihres Landes.
Wie weit die Renationalisierung an Europas Finanzmärkten inzwischen fortgeschritten ist, zeigen Berechnungen der Notenbanken. Danach ist der Anteil heimischer Staatsanleihen an allen Staatsanleihen, die Banken in ihrem Heimatland halten, von Mai 2010 bis September 2012 in Deutschland von 63,3 auf 72,7 Prozent gestiegen und in Frankreich von 45 auf 69 Prozent gesprungen. In den südeuropäischen Krisenländern liegt dieser Anteil sogar bei rund 99 Prozent in Italien, 97 Prozent in Griechenland, 94 Prozent in Spanien und 90 Prozent in Portugal.
Staatsanleihen sind alles andere als risikolos
„Banken müssen gezügelt werden, übermäßig staatliche Solvenzrisiken zu übernehmen“, warnt Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Er fordert eine Obergrenze für Staatskredite von Banken und verlangt obendrein, dass Banken für den Kauf von Staatsanleihen Eigenkapital vorhalten müssen wie für alle anderen Kredite auch. Schließlich sind Staatsanleihen alles andere als eine risikolose Anlage.
Im Kreis der Eurofinanzminister stößt Weidmanns Vorschlag auf wenig Sympathie. Alle sind süchtig nach der Droge Kredit. Die Staaten wollen sich ihre Verschuldung nicht durch teure Auflagen für die Banken erschweren. Das ist in der Krise zwar verständlich, doch bedingt die Abhängigkeit von den Banken eine Überlebensgarantie selbst für Zombiebanken ohne funktionierendes Geschäftsmodell. Anstatt das Erpressungspotential der Banken zu reduzieren, ist seit Ausbruch der Euro-Krise im Mai 2010 der Anteil der Staatsanleihen an der Bilanzsumme der Banken gestiegen. Besonders kräftig ist der Anstieg in Spanien mit knapp 43 Prozent, in Portugal mit fast 41 sowie in Italien mit 28 Prozent.
Doch woher haben spanische oder andere Banken in Not das Geld, um die Staatsanleihen ihrer Heimatländer zu kaufen? Die Antwort lautet: von der Europäischen Zentralbank. EZB-Präsident Mario Draghi hat mit den von ihm „Dicke Bertha“ genannten Billionenspritzen sogar scheintote Banken zu neuem Leben erweckt, nebenbei die Abhängigkeiten zwischen Banken und Staaten verstärkt und den Reformdruck für Südeuropas Schuldenländer gemindert. Nicht nur für Wackelbanken war Draghis „Dicke Bertha“ ein Bombengeschäft. Sie nahmen Geld für ein Prozent bei der EZB auf, kauften damit Staatsanleihen mit einer Rendite von sechs Prozent und machten einen Schnitt von fünf Prozentpunkten. Weil die EZB in gigantischem Umfang die Banken aus Südeuropa finanzierte, sind die Bücher der Zentralbank voll von giftigen Krediten aus dem Süden. Das ist der Grund für die auf ein Drittel der Wirtschaftsleistung der Eurozone aufgeblähte Bilanz der EZB und den Anstieg der sogenannten Target-Kredite des Zentralbanksystems, die mit einer Billion Euro die offiziellen Rettungskredite in den Schatten stellen. Das größte Haftungsrisiko trägt Deutschland.