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Reaktion auf Kritik an der EZB : Ökonomen: Der Bundesbank bleibt nur öffentlicher Druck

Die EZB steckt in einer schwierigen Situation, sagt auch die Kanzlerin Bild: dpa

Die Bundesbank ist hart mit der Geldpolitik der EZB ins Gericht gegangen. Deutsche Bankvolkswirte teilen oft die Kritik. Sie glauben aber, dass weder Bundesbank noch Verfassungsgericht das ändern können.

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          Die harte Kritik der Bundesbank an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat unter deutschen Bankvolkswirten geteiltes Echo hervorgerufen. Vor allem die geäußerte Kritik am Programm der EZB (OMT), notfalls unbegrenzt Anleihen finanzschwacher Mitgliedsländer der Währungsunion zu kaufen, können sie teilen. „Ich halte diesen Standpunkt der Bundesbank für gerechtfertigt“, sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Die von dieser Zeitung befragten Volkswirte halten indes für unwahrscheinlich, dass die Bundesbank das Programm abschaffen kann. Dafür fehle ihr die Mehrheit im EZB-Direktorium. Und auch, dass das Bundesverfassungsgericht den Rettungsmechanismus ESM stoppt, erwarten sie nicht.

          Philip Plickert
          Wirtschaftskorrespondent mit Sitz in London.

          Die Deutsche Bundesbank hat in einer 29 Seiten umfassenden vertraulichen Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht das OMT-Anleihekaufprogramm angegriffen und damit verbundene Argumente der Euro-Notenbank infrage gestellt. Auch das Risiko, dass ein Land aus der Währungsunion ausscheiden könne, sei keine Rechtfertigung dafür, dass die Zentralbank eingreift, argumentiert die Bundesbank. Denn die Frage über einen Verbleib in der Währungsunion liege allein in der Hand des souveränen Staates; die EZB könne also auch keine Garantie aussprechen.

          Kater: Rettungspolitik schiebt Probleme auf die lange Bank

          „Die Bundesbank glaubt nicht an die allgemeine Rettungsphilosophie, dass die Geldpolitik die gegenwärtige Krise lösen kann“, sagte Kater. „Damit befindet sie sich in fundamentalem Gegensatz zur amerikanischen oder britischen oder japanischen Philosophie.“ Die fortgesetzte Rettungspolitik der Notenbanken führt aus seiner Sicht dazu, dass die eigentlichen Probleme in den Bankensektoren oder in den Wirtschaftsstrukturen eher „auf die lange Bank geschoben als gelöst werden“. Damit sei die Gefahr für Europa groß, „im japanischen Szenario zu landen“. Japan vermeidet seit Jahrzehnten tiefgreifende Strukturänderungen und stagniert wirtschaftlich, seitdem dort zu Beginn der neunziger Jahre eine Finanzblase geplatzt war.

          Für Deka-Ökonom Kater ist die anstehende Bundestagswahl ein Datum, ab dem die EZB das OMT-Programm durchaus aktivieren könnte, sollten die Krisenländer an den Kapitalmärkten dann wieder unter Druck geraten. „Hier will die Bundesbank bereits jetzt Pflöcke einschlagen.“ Verhindern könne die Bundesbank das Anleihekaufprogramm aber nicht, „dafür hat sie keine Mehrheit“. Derzeit kauft die EZB damit verbunden keine Staatsanleihen, da das Programm noch nicht gestartet werden musste.

          Ob das Bundesverfassungsgericht das OMT-Programm stoppt, sei zweifelhaft, denn eine unmittelbare Verbindung zur Verfehlung des Ziels Preisniveaustabilität werde sich kaum konstruieren lassen, argumentiert Kater. Der Bundesbank bleibe daher nur öffentlicher Druck. Auch der Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer, der das Anleihekaufprogramm kritisch sieht, räumt der Bundesbank wenig Chancen ein, ihre Ansicht durchzusetzen. „Der Maastricht-Vertrag erlaubt der EZB grundsätzlich, Staatsanleihen zu geldpolitischen Zwecken zu kaufen. Gleichzeitig verbietet der Vertrag der EZB Staatsanleihekäufe zum Zweck der Staatsfinanzierung“, erklärte er. „Das Verfassungsgericht ist aber nicht in der Lage zu beurteilen, aus welchem Motiv heraus die EZB Staatsanleihen kauft.“ Insofern dürfte das Verfassungsgericht „im Zweifel für den Angeklagten“ entscheiden. „Wir glauben nicht, dass das Bundesverfassungsgericht der Hilfspolitik Steine in den Weg legen wird.“

          Schmieding: Frontalangriff auf die EZB

          Schwere Kritik an der Stellungnahme der Bundesbank übte der Chefvolkswirt der Berenberg-Bank Holger Schmieding. Schmieding, der das OMT-Programm als richtig erwachtet, sprach von einem „Frontalangriff“ auf die EZB und kritisierte die Bundesbank: Wann immer die Spannungen in der Eurozone nachließen, sei auf die Bundesbank Verlass, dass sie die Spannungen wieder neu auflade. Die mit dem OMT-Programm gemachten Ankündigungen der EZB sieht er als eine „verlässliche Brandmauer gegen Ansteckungsgefahren“.

          Das Bundesfinanzministerium wollte die Kritik der Bundesbank an der EZB wegen der grundsätzlich möglichen Anleihekäufe nicht kommentieren. Ministeriumssprecher Martin Kotthaus sagte aber, die Bundesregierung gehe davon aus, dass das Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Rettungsmechanismus ESM in vollem Umfang bestätigen werde.

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