Neue Schätzung : Der Fiskus erwartet noch höhere Steuereinnahmen
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Die Kassen sind gut gefüllt: Noch halten sich die Folgen des Abschwungs in Grenzen. Bild: dpa
Der Bund kann dieses Jahr auf ein zusätzliches Plus von 4 Milliarden Euro hoffen. Das beruhigt den Finanzminister. Die Kommunen aber sorgen sich dennoch um eine drohende Abwärtsspirale.
Der Fiskus bekommt die Konjunkturabschwächung bisher kaum zu spüren. Bund, Länder und Gemeinden können nach der neuen Steuerschätzung weiterhin mit kräftig steigenden Einnahmen rechnen. Obwohl Export und Industrie aktuell schrumpfen, wird das Plus dieses Jahr sogar noch höher sein, als im Mai prognostiziert worden ist. Für die nächsten Jahre wird der Aufwuchs zwar etwas geringer als zuletzt vorhergesagt sein, aber die Abweichung ist im Vergleich zur vorangegangenen Prognose marginal.
Wegen der Steuerschätzung müsse die Regierung die Haushaltsplanung nicht hektisch korrigieren, hob Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hervor, als er die neuen Zahlen für die Jahre bis 2024 vorstellte. Nach der aktuellen Prognose werden die gesamten Steuereinnahmen von 796,4 Milliarden Euro in diesem Jahr auf rund 935 Milliarden Euro am Ende des Zeithorizonts steigen.
Schlimmstenfalls setze die Abwärtsspirale wieder ein
Gegenüber der Mai-Schätzung wird das Steueraufkommen des Bundes dieses Jahr um 4 Milliarden Euro zulegen. Gleichzeitig dürften die Zinsausgaben geringer ausfallen als unterstellt, so dass Scholz nicht auf die Rücklagen zurückgreifen muss, um den Haushalt auszugleichen. Der neue Überschuss soll seinerseits in die Reserven fließen, um für mögliche Risiken gerüstet zu sein. Scholz ließ offen, ob das Geld abermals in der Asyl-Rücklage geparkt werden soll oder in den Digitalfonds fließen soll, so wie es der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, fordert.
Im kommenden Jahr werden dem Bund gegenüber den bisherigen Erwartungen 200 Millionen Euro fehlen – im Vergleich zu den 328,6 Milliarden Euro, die ihm nunmehr prognostiziert werden, ist das fast vernachlässigbar. Die Länder werden der Schätzung zufolge vom kommenden Jahr an höhere Steuereinnahmen als der Bund haben. Das gab es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik nur einmal, im Jahr 1998. Nunmehr werden den Ländern 332,1 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, das sind 1,1 Milliarden Euro weniger als im Frühjahr.
Der Deutschen Städtetag rechnet trotz der etwas geringer wachsenden Steuereinnahmen der Kommunen nicht mit flächendeckenden Finanzierungsdefiziten. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy warnte gleichwohl: „In strukturschwachen Städten und Regionen allerdings geraten bereits jetzt die bisherigen Erfolge bei den Haushaltssanierung in Gefahr – hier drohen Defizite und erneut steigende Verschuldung.“ Schlimmstenfalls setze die Abwärtsspirale aus sinkenden Investitionen und steigenden Sozialausgaben wieder ein. „Deshalb muss auch das Problem der kommunalen Altschulden jetzt angepackt werden, solange die Zinsen noch niedrig sind“, mahnte Dedy.
Stagnation statt Schrumpfung
Die Kernaussage der Schätzung bleibt gleich: Die Grafik zeigt weiterhin eine Treppe, die nach oben führt. Weil die Steuereinnahmen zumeist stärker steigen als das Bruttoinlandsprodukt wird die Steuerquote wachsen, bis 2024 auf 23,6Prozent. 2017 lag sie einen Prozentpunkt niedriger. In absoluten Zahlen sind das rund 35 Milliarden Euro, die den Steuerzahlern mehr abverlangt werden, selbst wenn sie nicht mehr erwirtschaften. Weil aber höhere Gehälter sowie Gewinne erwartet werden, wird das Steueraufkommen nach der aktuellen Schätzung am Ende des Zeithorizonts um 200 Milliarden Euro höher sein als 2017.
Die Steuerschätzung baut auf der aktuellen Wachstumsprognose der Bundesregierung auf. Diese erwartet für dieses Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um real 0,5 Prozent und für 2020 um 1,0 Prozent. Wenn die Konjunktur sich nicht wie erwartet erholen sollte, schlägt das auf die nächste Steuerschätzung durch. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat seine Erwartungen deutlich nach unten korrigiert. Für dieses Jahr rechnet er nur noch mit einem Wirtschaftswachstum vom 0,4Prozent, für das kommende Jahr mit 0,5 Prozent. Letzteres gehe vor allem auf Kalendereffekte zurück, weil das 2020 vier Arbeitstage mehr hat.
„Gerne würden wir uns in die Reihe derer einreihen, die optimistischer sind. Die Einschätzungen von 28 000 Unternehmen liefern uns dafür aber leider keine Argumente“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Die Betriebe seien so pessimistisch wie zu Zeiten der Finanzkrise vor zehn Jahren. Gedämpft werde die Stimmung vor allem durch die Handeskonflikte und die Brexit-Hängepartie. DIHK-Präsident Schweitzer forderte abermals eine Entlastung der Unternehmen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in den drei Monaten bis Ende September um 0,2 Prozent gesunken ist. Dies wäre der zweite Quartalsrückgang in Folge. Für die drei Monate bis Ende Dezember versprechen sich die Ökonomen jedoch eine leichte Besserung – Stagnation statt Schrumpfung. Die Geschäftserwartungen hätten sich zuletzt wieder stabilisiert. „Ein Abrutschen in eine tiefere Rezession ist derzeit also weniger wahrscheinlich geworden“, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen.