Prozess gegen Anglo Irish : Die Iren rechnen mit ihren Skandalbankern ab
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Der Prozess gegen frühere Manager der Anglo Irish Bank beginnt Bild: dpa
Die Manager der Anglo Irish Bank haben den irischen Staat fast im Alleingang in den Ruin getrieben. Jetzt müssen sich zum ersten Mal frühere Spitzenbanker für ihre folgenschweren Fehltritte verantworten.
Auch der größte Gerichtssaal in Dublin gilt als zu klein, um Platz genug für die vielen interessierten Zuschauer zu bieten: Seit Dienstag stehen drei frühere Spitzenmanager des Skandalinstituts Anglo Irish Bank vor Gericht, und die Verhandlung wird deshalb per Videoschaltung in einen zweiten Saal übertragen. Fast ein halbes Jahrzehnt hat es gedauert, doch nun müssen sich zum ersten Mal frühere Spitzenbanker in Irland für ihre folgenschweren Fehltritte verantworten. Der Mammutprozess gilt als das aufwendigste Strafrechtsverfahren der irischen Rechtsgeschichte.
Rund 24 Millionen Dokumente werden für den Prozess herangezogen. Die Liste der Zeugen umfasst etwa 800 Namen. Dennoch soll das Verfahren binnen drei bis sechs Monaten abgeschlossen werden. Die fatale Bankenkrise in Irland, deren Ausmaß in Europa ihresgleichen sucht, hat vor fünf Jahren das ganze Land an den Rand der Pleite gebracht und die Inselrepublik zum Notfall in der Europäischen Währungsunion gemacht. Vergangenes Jahr tauchten interne Mitschnitte von Telefongesprächen früherer Anglo-Banker auf, die wegen ihres respektlosen Tonfalls rund um den Globus für Schlagzeilen sorgten. Die Finanzjongleure machen sich dabei auf dem Höhepunkt der Krise über Geschäftspartner, Politiker und Bankenaufseher lustig - und bestätigten damit alle Klischees vom skrupellosen Bankenschurken.
Das mit Spannung erwartete Gerichtsverfahren ist deshalb auch ein Blitzableiter für den Frust vieler Bürger über die Wirtschaftsmisere in ihrem Land. Hauptperson des Finanzkrimis um Aufstieg und Niedergang von Anglo Irish ist der langjährige Chef und spätere Verwaltungsvorsitzende der Bank, Sean Fitzpatrick. Der 64 Jahre alte Pensionär sitzt nun zusammen mit zwei seiner früheren Kollegen auf der Anklagebank. Sie sollen kurz vor dem Kollaps der Bank, Ende 2008, durch kriminelle Kredite an eine Clique von Großaktionären versucht haben, den taumelnden Aktienkurs des Instituts zu stützen. Alle drei Angeklagten weisen die Vorwürfe von sich.
Der Name Anglo Irish Bank ist in Irland bis heute ein Synonym für Größenwahn und Gier in den rauschhaften Jahren des irischen „Wirtschaftswunders“, das mit der Weltfinanzkrise jäh endete. Die Manager der Bank haben den irischen Staat fast im Alleingang in den Ruin getrieben. Insgesamt rund 30 Milliarden Euro pumpten Irlands Politiker in das todkranke Kredithaus, das mittlerweile abgewickelt wird.
Der Finanzkonzern ist der Hauptgrund dafür, dass die Regierung in Dublin Ende 2010 einen 68 Milliarden schweren internationalen Notkredit der anderen Euroländer und des Internationalen Währungsfonds aufnehmen musste. Mittlerweile geht es wieder aufwärts auf der Grünen Insel: Irland hat im Dezember als erstes Krisenland der Eurozone das Hilfsprogramm verlassen und gilt heute als Vorbild für die anderen Wackelkandidaten in der Währungsgemeinschaft.
Anglo Irish war die Spinne im Netz der irischen Vetternwirtschaft aus inkompetenten Bankern, Glücksrittern und blauäugigen Politikern. Fitzpatrick hatte die zuvor unbedeutende Bank durch eine irrwitzige Expansion im Geschäft mit Immobiliendarlehen zum zweitgrößten Kreditinstitut des Landes aufgebaut. Fitzpatricks Geldhaus war damit zu einem der wichtigsten Finanzierer für die heute berüchtigten Immobilienbarone aufgestiegen, die das Land nach der Jahrtausendwende mit neuen Wohnsiedlungen überzogen, die heute großteils leer stehen. Die Wachstumszahlen waren schwindelerregend: In den zehn Jahren bis zum Zusammenbruch war das Kreditbuch von Anglo Irish von 3 Milliarden Euro auf 73 Milliarden Euro angeschwollen.