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Im Interview: Lars Feld : „Wir können nicht die halbe Euro-Zone retten“

  • Aktualisiert am
Lars Feld ist seit September 2010 Professor für Wirtschaftspolitik an der Uni Freiburg und leitet das Walter Eucken Institut. Hier steht er in der institutseigenen Bibliothek.

Lars Feld ist seit September 2010 Professor für Wirtschaftspolitik an der Uni Freiburg und leitet das Walter Eucken Institut. Hier steht er in der institutseigenen Bibliothek. Bild: Wonge Bergmann

Der Ökonom Lars Feld ist der Neue im Sachverständigenrat. Im Interview mit der Sonntagszeitung warnt der Wirtschaftsweise davor, den Rettungsfonds auszuweiten, und lobt überraschenderweise John Maynard Keynes.

          5 Min.

          Herr Feld, wie lange haben wir den Euro noch?

          Ich gehöre nicht zu den Untergangspropheten. Wir werden den Euro noch lange haben.

          Mit allen bisherigen Mitgliedsländern?

          Wieder so eine Untergangsfrage. Aber ja, mit allen Mitgliedern. Wir können die Krise mit weit weniger dramatischen Mitteln bewältigen, als Ihre Fragen suggerieren.

          Wir stehen also nicht vor dem Zusammenbruch des Euro-Systems?

          Nein, ich sehe das nicht. Aber auch Sachverständige können sich irren, besonders was Prognosen betrifft.

          Das stimmt.

          Ich hoffe aber nicht, dass ich mich irre. Allerdings, die Staatsverschuldung in Europa ist tatsächlich kritisch und muss gelöst werden. Gleichzeitig darf die EU nicht zu einer Transferunion werden. Das geht, wenn es auch schwierig ist. Das Ausscheiden einzelner Länder wie Griechenland aus der Währungsunion halte ich für unrealistisch.

          Aber Griechenland ist trotz aller Rettungsbemühungen bankrott, oder?

          Was verstehen Sie unter bankrott?

          Bankrott ist ein Land, das seine Schulden nicht mehr bedienen kann.

          Wenn wir realistische, vielleicht sogar optimistische Annahmen zugrunde legen, wird Griechenland 2015 einen Schuldenstand von etwa 165 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben. Dann würden die Griechen 8 bis 9 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung allein für Zinsen ausgeben. Das ist politisch eine sehr schwierige Situation, zumal dieser Schuldendienst fast komplett ins Ausland fließt.

          Da wäre es doch besser, Griechenland schnell in die Insolvenz zu schicken.

          Ich vermeide Signalwörter wie Insolvenz. Aber eine Umschuldung ist notwendig. Am besten wäre es, den Griechen mehr Zeit zu geben, ihre Schulden zurückzuzahlen. Das geht, indem man die Fristen ihrer Staatsanleihen verlängert, also das Datum ihrer Fälligkeit nach hinten verschiebt. Die Gläubiger würden damit nicht zu viel Geld verlieren, und Griechenland bekäme Luft.

          Und das reicht?

          Nicht, um die gesamte Krise der Staatsfinanzen in Europa in den Griff zu bekommen. Wir müssen generelle Regeln für solche Fälle wie Griechenland oder Irland entwickeln: Wie gehen wir damit um, wenn ein Land in Zahlungsschwierigkeiten gerät?

          Aber wir haben doch den Rettungsschirm mit 750 Milliarden Euro.

          Ja, aber den dürfen wir nicht einfach so fortschreiben.

          Der Rettungsfonds sollte also nicht erweitert werden?

          Nein! Nach 750 Milliarden kommt unendlich. Dann gibt es kein Halten mehr.

          Weil es sich Deutschland nicht leisten kann oder weil Deutschland es sich nicht leisten sollte?

          Beides. Der Rettungsschirm hat eine wichtige Funktion, aber nun müssen wir mit anderen Mitteln die Krise der Staatsfinanzen in den Griff bekommen. Wir brauchen eine Insolvenzordnung für Staaten.

          Was ist das?

          Das ist ein Regelsystem, das bestimmt, wann und wie ein Land seine Insolvenz erklären kann und wie dann die Abfindung der Gläubigerbanken geregelt wird – so dass keiner bevorteilt wird. Am Ende müssen die Gläubiger der geplanten Umschuldung mehrheitlich zustimmen, denn sie werden schließlich zur Kasse gebeten.

          Wenn Unternehmen insolvent werden, veräußert der Insolvenzverwalter das Vermögen und verteilt die Erlöse an die Gläubiger. Geht das für Staaten auch?

          Bei einer Staatsinsolvenz geht der Staat nicht unter und er wird auch nicht von einer Art Insolvenzverwalter ferngesteuert. Aber: Die übermäßig verschuldeten Staaten würden Liquiditätshilfen von den anderen europäischen Staaten nur unter Auflagen für die Sanierung ihrer Haushalte bekommen.

          Umschuldung bedeutet, dass Banken auf Geld verzichten. Bekommen die dann nicht Probleme?

          Die Möglichkeit besteht.

          Der deutsche Steuerzahler hat die Wahl: Entweder rette ich Zombie-Länder oder Zombie-Banken?

          Das ist das System, das wir jetzt mit dem Rettungsschirm haben.

          Wäre es besser, Deutschland würde sich darauf beschränken, seine Banken zu retten statt ganze Länder?

          Ich war kein Gegner des Rettungsfonds, als er errichtet wurde. Denn wenn ein Land unkontrolliert pleitegeht, können wir die Unsicherheit möglicherweise nicht beherrschen. Das wäre ein neuer Lehman-Fall.

          Die Investmentbank Lehman pleitegehen zu lassen, war Ihrer Meinung nach ein großer Fehler?

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