Im Gespräch: Wolfgang Schäuble : „Die Rettungsschirme laufen aus - das haben wir klar vereinbart“
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Wolfgang Schäuble Bild: dpa
Wolfgang Schäuble hat diese Woche als erster ausländischer Minister an einer Sitzung des französischen Kabinetts teilgenommen. Eine schöne Abwechslung. In Paris erfährt er den Respekt, den die Kollegen in Berlin vermissen lassen.
Herr Schäuble, wo wird im Kabinett mehr diskutiert, in Paris oder in Berlin?
Die Sitzung im französischen Conseil des Ministres ist viel stärker formalisiert. Wenn der Präsident hereinkommt, stehen alle Kabinettsmitglieder auf. Notizen dürfen sich die Minister nicht machen, und es gibt weder Kaffee noch Wasser. Als meine Kollegin Christine Lagarde Ende März an der Sitzung des Bundeskabinetts teilnahm, sprach sie hinterher davon, dass bei uns viel mehr diskutiert werde - auch wenn sich das nach meiner Erfahrung zumeist auch in Grenzen hält.
Wie sah Ihr Beitrag aus?
Frau Lagarde und ich haben unsere gemeinsame Initiative zur Reform der Währungsunion vorgetragen.
Wie wollen Sie vorgehen?
Es gibt eine Übereinkunft, dass wir uns in einer ersten Phase auf die Punkte konzentrieren, die wir bis zum Europäischen Rat im Oktober zur Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts klären können.
Was wird das konkret sein?
Es geht darum, das Defizitverfahren zu beschleunigen und effizienter zu machen. Auch wollen wir dem Schuldenstand mehr Aufmerksamkeit widmen.
Von Ihrem Vorschlag, den europäischen Vertrag zu ändern, um hartnäckigen Defizitsündern das Stimmrecht entziehen zu können, haben Sie sich offensichtlich schon verabschiedet.
Überhaupt nicht. Wir gehen nur nach dem Grundsatz vor, zunächst das zu erledigen, was schnell umgesetzt werden kann. Deshalb streben wir zunächst eine politische Vereinbarung im Europäischen Rat an. Auch wenn dort alle zustimmen müssen, kann das zügig geschehen. Eine Vertragsänderung dagegen braucht Zeit. Warum sollten wir nur auf die ferne Zukunft schielen, wenn wir einiges früher ändern können?
Lange schwelte ein Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich, ob der Europäischen Zentralbank eine "Wirtschaftsregierung" zur Seite gestellt werden sollte. Deutschland beharrte darauf, alle Wirtschaftsfragen weiterhin im Rahmen der gesamten EU zu behandeln. War das im französischen Kabinett ein Thema?
Nein, diese Diskussion hat sich längst erledigt. Wir müssen darauf achten, dass wir notwendige Reformen durchsetzen, ohne die Europäische Union zu spalten. Wir wollen daher möglichst im Rahmen der 27 Mitgliedstaaten vorgehen. Wenn das nicht ausreicht und etwas im Euroraum geregelt werden muss, weil es um die gemeinsame Währung geht, kann es dort gemacht werden. Mit diesem Vorgehen sind alle einverstanden.
Was für ein Lockmittel oder Druckmittel haben Sie, um später die anderen Staaten zu der Vertragsänderung zu bewegen?
Das gemeinsame Interesse an der gemeinsamen Währung.
Wir erleben die schrittweise Vergemeinschaftung der Finanzpolitik. Warum nicht auch in der Außen- und Sicherheitspolitik?
Der Handlungsdruck ist in den wirtschaftlichen Fragen einfach größer. Die Krise hat gezeigt, dass wir mit den vorhandenen Instrumenten nicht auskommen. Als wir die Währungsunion in den neunziger Jahren ausgehandelt haben, war das nicht absehbar. Die Welt hat sich verändert. Die Verflechtung ist eine völlig andere. Wir haben uns damals nicht vorstellen können, dass die Krise eines Landes, das nur einige Prozent der Wirtschaftsleistung der gesamten Eurostaaten ausmacht, innerhalb von Tagen über die Märkte auf andere Länder überspringen kann.
Aber die Banken haben noch früher reagiert und ihre Kreditlinien zurückgefahren. Verfügen die Banken über mehr Wissen als die Regierungen?
Ich denke schon, dass die Märkte gelegentlich einen Informationsvorsprung haben. Deshalb bin ich auch skeptisch, dass wir über staatliche Bemühungen eine europäische Ratingagentur hinkriegen, wie es der EU-Kommission vorschwebt.
Was ist Ihre Lehre aus der Finanzkrise?