Griechenlands Krise : Das blaue Wunder
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Das große Gewitter steht Griechenland erst bevor Bild: AP
Noch können die Griechen nicht so recht fassen, was mit ihnen geschieht. Ministerpräsident Papandreou ist schon müde, Aufdecker Glynos scherzt noch, und der Taxifahrer Balats sucht dringend eine neue Arbeit. Wie Griechenland mit der Krise umgeht.
Man möge sich ein wenig gedulden, der Ministerpräsident sei noch in einem Gespräch. In dem Saal, in den man die Gäste zum Warten geleitet, herrscht dieselbe Atmosphäre, die solchen Räumen auch in anderen Staaten und Regierungspalästen eigen ist: kostbare (oder zumindest sehr große) Teppiche, wuchtige Polstermöbel. Und natürlich die Regale, in denen in langen Reihen Bücher von exakt derselben Farbe und Größe stehen.

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.
Vielleicht sind es Nachschlagewerke zur Flora Westthrakiens sowie die gesammelten Urteile des griechischen Verfassungsgerichts seit 1891. Oder es sind Möbelhausbücher, von innen hohl. „Wir sparen überall. Die Verwaltungsausgaben im Amt des Ministerpräsidenten wurden um fünfzig Prozent gekürzt“, sagt ein Berater des Regierungschefs. Ein Hausdiener in weißer Livree bringt dennoch Wasser und Kaffee.
Früher hätten die Gewerkschaften mitbestimmt
Der Ministerpräsident trifft sich gerade mit den wichtigsten Gewerkschaftsführern des Landes. Bei ihm sitzen Männer wie Giannis Panagopoulos, der Vorsitzende des Dachverbandes der griechischen Gewerkschaften. Männer, die öffentlich sagen, dass Griechenland mehr Geld ausgeben müsse, nicht weniger. Um die Nachfrage anzukurbeln.
Die meisten Gewerkschaftsführer gehören der Pasok an, der von Papandreou geführten Panhellenischen Sozialistischen Bewegung, doch darin erschöpfen sich derzeit die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und dem wichtigsten Politiker des Landes.
Gerade erläutert Papandreou den Gewerkschaftlern die neuesten Sparmaßnahmen seiner Regierung. Frühere griechische Regierungschefs hätten erst mit den Gewerkschaftsführern gesprochen und dann überlegt, welche Reformen sie sich erlauben können, ohne das Land in einer Streikwelle untergehen zu lassen.
Die Dynastie der Papandreous wird enden
Die Zeiten sind vorbei. Wenn ein Schiff zu kentern droht, diskutiert der Kapitän nicht mit seinen Matrosen über eine Erhöhung der Heuer. Natürlich sei der Ministerpräsident manchmal erschöpft, es seien eben schwere Zeiten jetzt, sagt der Berater. Aber der Ministerpräsident werde das durchstehen, er verfüge schließlich über große Selbstbeherrschung und Disziplin. Er arbeite seit vielen Jahren mit Papandreou, und nur einmal habe er ihn richtig in Rage erlebt, versichert der Berater. Worüber sein Chef sich geärgert hat, will er nicht verraten.
Georgios Papandreou ist griechischer Ministerpräsident in dritter Generation, schon der Vater und der Großvater führten das Land. Doch mit dem Enkel wird die Dynastie wohl enden. Dessen Sohn Andreas, Jahrgang 1982, zeigt jedenfalls keine Neigung zur Politik, und die Tochter Margarita-Elena, geboren 1990, dem Vernehmen nach bisher auch nicht.
Der Ministerpräsident wirkt müde
Ein Protokollbeamter betritt den Saal. Es ist soweit, die Gewerkschaftsführer sind gegangen. Die große Flügeltür zum Kabinett des Ministerpräsidenten geht auf, Papandreou erscheint. Ist es nur Einbildung, oder ist er tatsächlich gealtert? Wenn Georgios Papandreou dieser Tage öffentlich auftritt, merkt man ihm die Strapazen der vergangenen Wochen an. Die Fernsehbilder vermitteln den Eindruck, als sei dieser Mann müde.