Wagenknecht, Gauweiler und Co : Der Rückzug der Euro-Skeptiker
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Bild: dpa, 360-Berlin, Stefan Boness/Ipon
Alle regen sich über die griechische Regierung auf, aber die Kritiker der Hilfsprogramme haben so wenig zu melden wie noch nie. Peter Gauweiler tritt zurück, Sahra Wagenknecht verliert einen Machtkampf, und auf Wolfgang Bosbach hört kaum noch einer. Das hat Gründe.
Man sollte meinen, es sind goldene Zeiten für die Kritiker der Euro-Rettung im politischen Betrieb. Derzeit geschieht in Griechenland, was sie immer angekündigt haben: Der Unmut der Bevölkerung über die Sparpolitik der letzten Jahre hat das Land ins politische Chaos gestürzt, eine Koalitionsregierung aus Links- und Rechtsradikalen will sich an vereinbarte Reformprogramme nicht mehr halten, die Hoffnung auf eine vollständige Rückzahlung der Hilfskredite schwindet – ganz gleich, wie es mit dem Land nun weitergeht.
Aber so ist es nicht. Im Gegenteil, noch nie ist der Einfluss der Euroskeptiker so rapide geschwunden wie in den zurückliegenden Wochen. Sie treten zurück, werden kaltgestellt, dringen mit ihren Argumenten nicht mehr durch.
In der CSU kam Parteivize Peter Gauweiler mit seinem Rücktritt der Absetzung zuvor. Bei der Linkspartei musste Talkshow-Größe Sahra Wagenknecht ihre Ambitionen für den Fraktionsvorsitz aufgeben, weil sie vergebens für eine Ablehnung der verlängerten Griechenland-Hilfen kämpfte. Kaum noch jemand hört auf die CDU-Dissidenten um den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, obwohl sie bei der jüngsten Griechenland-Abstimmung im Februar so zahlreich waren wie noch nie.
AfD-Chef Bernd Lucke, einst als Eurokritiker angetreten, ist heute vollauf mit internen Querelen beschäftigt. Und euroskeptische FDP-Mitglieder wie der frühere Abgeordnete Frank Schäffler haben ein doppeltes Problem: Sie sind nicht mehr im Bundestag vertreten, der neue Vorsitzende hat die Partei zudem auf strikt proeuropäischen Kurs zurückgeführt.
Wie konnte es dazu kommen?
„Weil die Lage unübersichtlich ist, vertrauen die Leute der Kanzlerin“
Ein Anruf beim Meinungsforscher Matthias Jung, dem Chef der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim. Er hat den Deutschen immer wieder die Frage gestellt, ob sie einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone wünschten: zunächst auf dem Höhepunkt der Krise 2011/12 und dann wieder seit Anfang dieses Jahres, als sich ein Regierungswechsel in Athen abzeichnete.
Das Ergebnis mag verblüffen: Seit sich Kanzlerin Angela Merkel im Spätsommer 2012 entschloss, die Griechen nicht fallenzulassen, findet eine Mehrheit der Befragten diese Haltung gut. Im Januar dieses Jahres sprachen sich 55 Prozent für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus, nur 33 Prozent waren dagegen. Die Stimmung kippte nur kurz, als sich die Finanzminister Giannis Varoufakis und Wolfgang Schäuble Anfang März beschimpften. Kaum hatte Merkel eingegriffen und den Ton der Debatte gemäßigt, ebbte die Empörung wieder ab.
„Das ist ein Thema, bei dem politische Führung funktioniert“, sagt Meinungsforscher Jung. „Weil die Lage so unübersichtlich ist, vertrauen die Leute auf das Urteil der Kanzlerin.“ Viele Wähler seien gespalten: Sie empörten sich über die griechische Regierung, wüssten aber, dass ein Grexit für Deutschland nicht angenehm wäre. „Sie spüren: Der entscheidende Fehler, die Aufnahme Griechenlands in den Euro, ist im Nachhinein gar nicht mehr zu korrigieren.“
Merkels neue Klarheit, in seltenem Schulterschluss mit dem CSU-Kollegen Horst Seehofer, entspringt innenpolitisch vor allem einer Erkenntnis: Die lange verfolgte Doppelstrategie, im Bundestag die Hilfsprogramme zu beschließen und zugleich die Kritiker öffentlich gewähren zu lassen, hat sich als kontraproduktiv erwiesen. Die Dissidenten haben nicht Stimmen für die Unionsparteien eingefangen, sondern die euroskeptischen Wähler in ihrer Haltung bestärkt und sie geradezu zur Konkurrenz von der AfD getrieben.
Die CSU stürzte in der Europawahl ab
So hielt es Seehofer vor der Europawahl für eine gute Idee, den Widersacher Gauweiler zu seinem eigenen Stellvertreter zu machen – mit dem Ergebnis, dass die CSU von 48,1 auf 40,5 Prozent der Stimmen abstürzte. Die AfD kam in Bayern auf 8,1 Prozent, ein Punkt mehr als im Bundesdurchschnitt. Von da an war klar, dass Gauweiler in Seehofers CSU keine Zukunft mehr haben würde.
Die Lehre beherzigt nun auch die CDU. Schon die antigriechischen Attacken des Europäers Wolfgang Schäuble beunruhigten das Kanzleramt. Sie machten den Minister zwar populär, drohten aber eine Stimmung zu schaffen, die sich hinterher nicht mehr kontrollieren ließe. Und die kritischen Stimmen in der Unionsfraktion wollen die Spitzen von Regierung und Partei nicht durch öffentliche Auseinandersetzung aufwerten. Vorbei sind die Zeiten, in denen ein Kanzleramtsminister den Abgeordneten Bosbach mit den Worten abkanzelte, er könne dessen „Fresse“ nicht mehr sehen.