Schuldenkrise : Humanitäre Hilfen sind für Griechen ein Affront
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Ein Bettler vor einem Geldautomaten in Thessaloniki Bild: AFP
Alexis Tsipras pokert weiter und betont den Stolz des griechischen Volkes. Aber die EU hat mit Vorbereitungen auf die sozialen Folgen eines Grexits begonnen. Das wird von manchem als neue Kränkung verstanden.
Wahrscheinlich hat der Amerikaner Ian Bremmer recht: „In Griechenland ist es wie in der amerikanischen Profiliga NBA. Wirklich anschauen muss man sich nur die letzten fünf Minuten eines Spiels“, schrieb der Politikberater und Professor der New York University auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Anders als im Basketball ist im Umgang mit den Griechen allerdings nicht klar, wann genau diese letzten fünf Minuten wirklich anbrechen. Noch haben die Banken ein wenig Geld, noch sind genug Waren in den Läden und Medikamente in den Apotheken, um den Ernst der wirtschaftlichen Lage des Landes im Alltag nicht allzu augenfällig werden zu lassen.
Noch kann der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras für Mittwoch eine Rede vor dem Europaparlament ankündigen – obwohl er in den Augen eines Nordeuropäers doch eigentlich Tag und Nacht an einer Lösung zur Sanierung seines Landes arbeiten müsste. In Brüssel jedenfalls will man nicht einfach nur warten, ob die Griechen doch noch mal mit einem Treffer in den Verhandlungen mit den Finanzministern und Regierungschefs der Euroländer punkten können. Vielmehr haben die Vorbereitungen auf die sozialen Folgen eines Austritts Griechenlands aus dem Euro schon begonnen. Die EU müsse insbesondere sicherstellen, dass die Versorgung der Menschen mit Medikamenten sichergestellt sei, hieß es in EU-Diplomatenkreisen. Im Extremfall könnten auch Nahrungsmittelhilfen für Bedürftige nötig sein. Finanzieren sollen die Hilfen allen voran die anderen EU-Staaten. Die Europäische Kommission prüft zudem, inwieweit die EU Geld aus ihrem Haushalt für Griechenland bereitstellen kann.
„Es klingt für Griechen beleidigend, wenn man gleich von der Katastrophe ausgeht“
Auf die sich jährlich auf rund 1 Milliarden Euro belaufenden Mittel für humanitäre Hilfe könne man in dieser Situation anders als im Falle der Ukraine aber nicht zurückgreifen, hieß es in der Kommission. Diese seien für Katastrophen in Drittstaaten vorgesehen. Ebenso wenig kommen die Gelder aus dem EU-Solidaritätsfonds in Frage, die zwar für EU-Staaten bereitstehen, aber für Naturkatastrophen wie das Oder-Hochwasser reserviert sind.
Schuldenkrise : Griechenland will bis Donnerstag neue Pläne vorlegen
Die Kommission müsse zunächst einmal analysieren, was die Bedürfnisse konkret sind und welche Mittel man dafür nutzen könnte, hieß es aus der EU-Behörde. Alle möglichen Szenarien würden geprüft. Zunächst gelte es aber ohnehin, die politischen Verhandlungen abzuwarten. Angesichts der sich verschlechternden Lage in Griechenland hatten zuvor der Wirtschaftsminister und Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, und der EU-Parlamentspräsident, Martin Schulz (ebenfalls SPD), humanitäre Hilfen ins Gespräch gebracht. „Es muss jetzt darum gehen, den Menschen in Griechenland zu helfen“, sagte Gabriel.
So ist in Brüssel zwar vieles in Vorbereitung, letztlich aber – wie bei einem Spiel in der NBA – eben doch noch alles offen. Klar hingegen ist, dass der amerikanische Finanzdienstleister Western Union es wieder gestattet, Geld nach Griechenland zu überweisen, was entsprechende Hilfen von Auslandsgriechen für die Familie daheim möglich macht. Abgehoben werden können davon allerdings nur die 60 Euro am Tag, die in Griechenland derzeit zugelassen sind. Allerdings sind dies eben noch Euro, denn bisher ist Griechenland aus dem gemeinsamen Währungsraum nicht ausgeschieden. Sollte dies in den kommenden Tagen aber doch geschehen, erwartet der amerikanische Milliardär und Investor Wilbur Ross, der auch in Griechenland erheblich engagiert ist, einen Wert der neuen Drachme zum Euro von nur 25 bis 50 Cent. Ross hatte über seine Investmentgesellschaft im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro in die griechische Eurobank investiert. Die Chance auf einen „Grexit“ beziffert Ross auf 40 Prozent.