Euklid Tsakalotos : Der Mann mit Stofftasche und Che-Guevara-Plakat
- -Aktualisiert am
So geht Euclid Tsakalotos zur Kabinettssitzung. Bild: AFP
Giannis Varoufakis geht und Euklid Tsakalotos kommt. Der neue griechische Finanzminister Tsakalotos gibt sich bescheidener als sein Vorgänger – doch die linke Agenda wird die selbe bleiben.
Der Gegensatz könnte nicht größer sein als der zwischen Giannis Varoufakis, dem gerade zurückgetretenen Finanzminister Griechenlands, und Euklid Tsakalotos, der zuletzt offiziell als der griechische Leiter der Verhandlungsdelegationen auftrat und nun zum Finanzminister befördert wird. Varoufakis zelebrierte seine Auftritte, nicht nur bei der Vorfahrt mit seinem schweren Motorrad vor dem Ministerium oder dem Sitz des Ministerpräsidenten. Auch bei Pressekonferenzen gab er sich als selbstverliebter Star mit entsprechenden Allüren.
Der etwa gleichaltrige Tsakalotos gibt sich dagegen bescheiden und zeigt sich an der Sache orientiert. Als stellvertretender Außenminister kam er wie Varoufakis ohne Krawatte ins Büro, aber lieber mit buntem Jackett aus edlem Material, dazu mit einer Umhängetasche aus Stoff, wie sie ein Student oder Professor benutzen würde. Tsakalotos bevorzugt die leisen Auftritte, taucht unvermutet in seinem Büro auf oder verabschiedet sich mit zwei Worten vor einer Reise nach Brüssel, um allein davonzuziehen.
In seinen Überzeugungen ist Tsakalotos aber nicht weniger gefestigt als der bisherige Finanzminister Varoufakis. Die Athener Wirtschaftsstudenten erinnern sich daran, dass im Büro des Wirtschaftsprofessors die Wand hinter dem Schreibtisch mit einem großen Plakat von Che Guevara versehen war. Kurz nach dem Ausbruch der Krise schrieb Tsakalotos noch als Athener Unversitätsprofessor, dass die Krise Griechenlands nur mit einem supranationalen Plan gelöst werden könne.
Erst stabilisieren, dann sparen
Die neoliberalen Sanierungsrezepte und die zugrundeliegenden Modelle für Konsum und Produktion verurteilte er, weil aus seiner Sicht zu viel Platz für Spekulation blieb. Andererseits schrieb Tsakalotos, Populismus werde zu Unrecht als minderwertig betrachtet. Denn nur damit könne es eine Bewegung geben, die für mehr Gleichheit sorge.
Im Amt des stellvertretenden Außenministers, zuständig für die Koordination der Wirtschaftspolitik gegenüber dem Ausland, zeigte sich Tsakalotos weiter fordernd gegenüber der Währungsunion: Für den Zusammenhalt sei auch eine soziale Dimension notwendig, so wie in Nordamerika einzelne Krisenstaaten auf Unterstützung rechnen könnten.
Dass Griechenland zuerst spare und die Reformen realisiere, ist für ihn die falsche Reihenfolge der Dinge: Zuerst müsse das Land stabilisiert und die Krise beendet werden, dann könne man sich an Reformen machen. Für Tsakalotos ist es auch nicht genug, mit Hilfe der Gläubiger Griechenlands Finanzen zu stabilisieren. Als linker Keynesianer wünscht er zugleich auch ein großes Konjunkturprogramm für Griechenland, finanziert von Europa.
Athen : Tsakalotos löst Varoufakis als griechischer Finanzminister ab
Doktor aus Oxford
Während andere Mitglieder der Regierung mit kommunistischer Vergangenheit einfach eine Wende in Richtung Staatswirtschaft propagieren, kommt in der Diskussion mit Tsakalotos immer wieder der Begriff des Unternehmens vor, doch verbunden mit Abscheu vor dem, was auch die Realität in Griechenland prägt: Unternehmen, die niedrige Löhne zahlten, seien nicht schützenswert, sagt Tsakalotos, denn sie sorgten für die falsche Art von Konkurrenz auf dem Arbeits- und Gütermarkt. Griechenland könne ohnehin nicht als Billiglohnland überleben, sondern nur mit qualifizierter Arbeit und gut ausgebildeten Kräften.
Die Quellen dieser Urteile teilt Tsakalotos nicht wie andere Regierungskollegen einfach mit der kommunistischen oder linken Ideologie in Griechenland. Geprägt ist der 1960 als Sohn griechischer Auswanderer geborene, in den Niederlanden und England aufgewachsene Ökonom mehr von linker Ideologie an britischen Universitäten. Er hatte seinen Doktor in Oxford gemacht, dann bis 1993 an der Universität Kent gelehrt, bevor er schließlich als Auslandsgrieche einen Lehrstuhl in einer Athener Wirtschaftsuniversität übernahm.
Der englisch geprägte Hintergrund hilft Tsakalotos noch immer, seine Gesprächspartner mit einer derart gepflegten Ausdrucksweise zu beeindrucken, dass jeder sofort an die edelste Version des „Queen’s English“ denken muss. Die Tonlage sorgt aber nicht allein für mehr Sympathien. Verglichen mit dem sprunghaften Vorgänger suchte Tsakalotos in schwierigen Momenten glaubwürdig zu bleiben, und er soll sich hinter den Kulissen am Rande der letzten Eurogruppe auch gegen den Abbruch der Verhandlungen und die Ankündigung der Volksabstimmung gewandt haben.
Das hielt Tsakalotos aber nicht davon ab, ein Memorandum darüber zu präsentieren, warum das Referendum schließlich Sinn gemacht habe: „Die Gläubigerinstitutionen hätten auch nach einer Einigung den Gedanken an einen Grexit nicht zur Seite gelegt“, schreibt Tsakalotos. „Wir warten weiter auf mehr Flexibilität“.
Immer die aktuellsten Updates finden Sie in unserem Live-Blog zu Griechenland.
Was passiert eigentlich gerade mit Griechenland?

Kapitel 1: Gemeinsam wird alles besser
Kapitel 2: Ende der Euphorie
Kapitel 3: Wünsche werden erfüllt
In den vergangenen Wochen gibt es wegen dieser Frist immer wieder Krisengipfel, mal auf technischer Ebene mit den Finanzministern der Eurozone, mal der Staats- und Regierungschefs. Lange sieht es trotz vieler Verzögerungen so aus, als würde man sich irgendwie einigen. Die Geldgeber und Griechenland streiten zwar darüber, ob das Land die Reformbedingungen der Geldgeber vor allem durch eine Erhöhung der Einnahmen, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, oder auch durch Einschnitte, wie eine Kürzung der Renten, erreichen soll. Die Geldgeber fordern diese Einschnitte zwingend, Griechenland sträubt sich. Die meisten Beobachter gehen aber davon aus, dass man sich in langen Nachtsitzungen kurz vor Ende der Frist wieder einmal auf einen Kompromiss einigen wird. Die Europäische Zentralbank überbrückt die Finanzierungsschwierigkeiten Griechenlands in dieser Zeit mit Notkrediten (Ela). Die Griechen heben immer mehr Geld von ihren Konten ab.
Kapitel 4: Eskalation
Mit diesem Referendum ist nun einerseits klar, dass bis zum 30. Juni keine Einigung erzielt werden kann, denn die Abstimmung wird voraussichtlich erst am kommenden Wochenende stattfinden. Andererseits verprellt die griechische Regierung EU, EZB und IWF derart, dass Griechenland aus den Verhandlungen ausgeschlossen wird. Tsipras beantragt einer Verlängerung des Hilfsprogramm bis zum Referendum, doch die Geldgeber lehnen es ab. Die Fronten sind so verhärtet wie nie. Die Griechen versuchen so viel Geld wie möglich abzuheben, es bilden sich Schlangen an den Geldautomaten.
Die Ankündigung des Referendums zieht viele Schritte nach sich. Die Europäische Zentralbank erhöht ihre Notfallkredite nicht mehr. Da Griechenland diesen Kreditrahmen schon fast ausgeschöpft hat, kommt das Land nun nicht mehr an neues Geld heran. Die Regierung kündigt Kapitalverkehrskontrollen an und schließt die Banken. Die Griechen dürften seitdem nur noch 60 Euro am Tag an den Bankautomaten abheben und nur innerhalb des Landes Geld überweisen. Am 30. Juni bedient die griechische Regierung ihren Kredit beim IWF nicht und ist nun offiziell in Zahlungsverzug.