Athen vor dem Gipfel : Griechenlands vergebliche Schuldenschnitte
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„Die Hoffnung kommt“: Auf einer Syriza-Wahlveranstaltung im Januar. Bild: AFP
Griechenland fordert einen neuen Schuldenschnitt. Doch das Land hat schon drei Mal eine Erleichterung bekommen. Das hätte reichen können – dann kam die Wahl.
Es sah mal ganz gut aus für Griechenland und seine Schulden. Seit das Land in die Krise gekommen ist, wurden seine Schulden drei Mal umstrukturiert – und am Ende stand eine Kreditbelastung, die trotz Griechenlands heftiger Rezession durchaus tragbar erschien.
Dann fielen auch noch die Zinsen. Auf diese Weise bekam die Regierung in Athen sogar neue Haushaltsspielräume für den Reformstau, der sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Deshalb waren Griechenlands Schulden längst nicht untragbar, als Ministerpräsident Alexis Tsipras Anfang des Jahres ins Amt kam.
Doch wenn am Wochenende über Griechenlands Reformen und den Verbleib im Euro entschieden wird, dann gehört zur Diskussion dazu, wie viel Schulden Griechen tragen kann und wie viel man dem Land erlassen muss. Der Internationale Währungsfonds spricht sich inzwischen für eine Schuldenerleichterung aus. Die griechische Regierung wirbt seit Monaten für einen Schuldenerlass und erinnert die Welt daran, dass auch Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg einen Teil seiner Schulden erlassen bekam.
Drei unterschiedliche Schuldenerleichterungen
Dabei geht oft unter, dass auch Griechenland Schuldenerleichterungen bekommen hat - insgesamt drei unterschiedliche.
Erstens profitierte das Land von einem Schuldenschnitt im März 2012, der die Schulden bei privaten Kreditgebern ungefähr halbierte. 105 Milliarden Euro an Staatsschulden wurden damals gestrichen.
Zweitens senkten auch die öffentlichen Gläubiger aus den anderen Euro-Staaten und aus dem Internationalen Währungsfonds ihre Zinsen deutlich. Zuvor war ein Aufschlag von 3 Punkten zu einem Interbankenzins vorgesehen, den Experten als „3-Monats-Euribor“ bezeichnen. Danach waren es noch 1,5 Prozentpunkte.
Drittens beschlossen die öffentlichen Gläubiger im November 2012 weitere Erleichterungen. Der Zins sank noch mal um einen Prozentpunkt. Auch die Zinsen muss Griechenland seitdem viel später zahlen. „Das ergab eine wirtschaftliche Senkung der Schuldenlast um 49 Prozent von Griechenlands Wirtschaftsleistung aus dem Jahr 2013 oder 50 Prozent der öffentlichen europäischen Kredite“, schrieb damals der Euro-Rettungsfonds ESM.
Weniger Zinsbelastung als Portugal und Italien
Deshalb sah Griechenlands Zinslast noch im vergangenen Jahr sehr tragbar aus. Der Brüsseler Think Tank „Bruegel“ hat ausgerechnet, dass Griechenlands Zinsbelastung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt niedriger war als die von Portugal oder Italien.
Diese extrem reduzierte Kreditbelastung wurde für Griechenland erst zum Problem, als infolge der Syriza-Wahl die wirtschaftliche Aktivität in Griechenland noch stärker nachließ und die neue Regierung noch einige zusätzliche Staatsausgaben beschloss. Der Internationale Währungsfonds (IWF) formuliert es so: „Sehr signifikante Änderungen der Politik und im Ausblick seit Jahresbeginn haben den Finanzbedarf deutlich erhöht.“
Dabei kritisiert der IWF nicht nur das höhere Defizit im laufenden Haushalt, sondern auch die Tatsache, dass Privatisierungserlöse ausblieben. Das lag vor allem daran, dass sich die Regierung von Alexis Tsipras anfangs vehement gegen weitere Verkäufe von Staatsunternehmen stemmte. Doch diese Privatisierungen sollten nicht nur die Unternehmen wirtschaftlicher machen, sondern auch zum Schuldenabbau beitragen.
Zudem kritisiert der IWF, dass die Regierung Strukturreformen unterließ und so das Wirtschaftswachstum schwächer bleibt, als nötig gewesen wäre.
All das war Politik der Regierung Tsipras und nicht Ergebnis der allgemein schwierigen Lage. Trotzdem fordert die Regierung immer noch einen Schuldenschnitt. Erfolgreichere Reformstaaten empfinden eine vierte Runde der Schuldenerleichterung wie eine Belohnung für Tsipras' Politik.
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Was passiert eigentlich gerade mit Griechenland?

Kapitel 1: Gemeinsam wird alles besser
Kapitel 2: Ende der Euphorie
Kapitel 3: Wünsche werden erfüllt
In den vergangenen Wochen gibt es wegen dieser Frist immer wieder Krisengipfel, mal auf technischer Ebene mit den Finanzministern der Eurozone, mal der Staats- und Regierungschefs. Lange sieht es trotz vieler Verzögerungen so aus, als würde man sich irgendwie einigen. Die Geldgeber und Griechenland streiten zwar darüber, ob das Land die Reformbedingungen der Geldgeber vor allem durch eine Erhöhung der Einnahmen, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, oder auch durch Einschnitte, wie eine Kürzung der Renten, erreichen soll. Die Geldgeber fordern diese Einschnitte zwingend, Griechenland sträubt sich. Die meisten Beobachter gehen aber davon aus, dass man sich in langen Nachtsitzungen kurz vor Ende der Frist wieder einmal auf einen Kompromiss einigen wird. Die Europäische Zentralbank überbrückt die Finanzierungsschwierigkeiten Griechenlands in dieser Zeit mit Notkrediten (Ela). Die Griechen heben immer mehr Geld von ihren Konten ab.
Kapitel 4: Eskalation
Mit diesem Referendum ist nun einerseits klar, dass bis zum 30. Juni keine Einigung erzielt werden kann, denn die Abstimmung wird voraussichtlich erst am kommenden Wochenende stattfinden. Andererseits verprellt die griechische Regierung EU, EZB und IWF derart, dass Griechenland aus den Verhandlungen ausgeschlossen wird. Tsipras beantragt einer Verlängerung des Hilfsprogramm bis zum Referendum, doch die Geldgeber lehnen es ab. Die Fronten sind so verhärtet wie nie. Die Griechen versuchen so viel Geld wie möglich abzuheben, es bilden sich Schlangen an den Geldautomaten.
Die Ankündigung des Referendums zieht viele Schritte nach sich. Die Europäische Zentralbank erhöht ihre Notfallkredite nicht mehr. Da Griechenland diesen Kreditrahmen schon fast ausgeschöpft hat, kommt das Land nun nicht mehr an neues Geld heran. Die Regierung kündigt Kapitalverkehrskontrollen an und schließt die Banken. Die Griechen dürften seitdem nur noch 60 Euro am Tag an den Bankautomaten abheben und nur innerhalb des Landes Geld überweisen. Am 30. Juni bedient die griechische Regierung ihren Kredit beim IWF nicht und ist nun offiziell in Zahlungsverzug.