Schulden in Kalifornien : Ich mach’ mir meine Scheine selbst, sagt der Terminator
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Arnold Schwarzenegger war bis 2011 Gouverneur von Kalifornien. Bild: AFP
Auch in Amerika sind klamme Kassen ein Dauerthema: Als Kreditgeber kein Geld mehr herausrücken wollten, gab Kaliforniens Regierung zeitweise Schuldscheine aus.
Die kalifornische Regierung begann vor ziemlich genau sechs Jahren, Schuldscheine, sogenannte IOUs, auszugeben. IOU ist eine uralte angelsächsische Abkürzung für den Satz: I owe you (Ich schulde dir). Es war wie ein später Triumph der Alchemie. Die Politik kreierte sich Geld, als sie kein altes mehr von den Banken und Kapitalmärkten bekam. Das klingt wie eine Lösung, die auch griechische Politiker und internationale Ökonomen attraktiv finden könnten. Ohne Zugang zum Euro könnte die Regierung des strauchelnden Landes sich neue Finanzierungsressourcen durch eine Parallelwährung beschaffen. Doch Kalifornien ist, wie schnell klarwerden wird, nicht Griechenland.
Die Vorgeschichte dieses denkwürdigen, wenn auch nicht einmaligen Ereignisses in der Geschichte Kaliforniens ist schnell erzählt. Der famose Arnold Schwarzenegger hatte seine Terminator-Karriere für die politische Karriere unterbrochen und war 2006 zum zweiten Mal mit großer Mehrheit zum Gouverneur gewählt worden mit dem Versprechen, die Bürokratie aufzumischen. Das gelang nicht. Stattdessen musste er sich vor allem mit einem Problem herumschlagen: Kalifornien, eine der reichsten Regionen der Welt, trug ein gewaltiges Haushaltdefizit vor sich her. Die Lage verschlimmerte sich dramatisch, als mit der Finanzkrise Steuereinnahmen wegbrachen.
Kürzungen und höhere Steuern schwer umsetzbar
Trotzdem hätte der Bundesstaat der Probleme Herr werden können mit den klassischen Instrumenten: Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen, hätte es da nicht ein paar Besonderheiten gegeben. Steuererhöhungen auf Immobilien waren aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, die bundesstaatliche Einkommensteuer gehörte schon zu den höchsten. Grundsätzlich verlangten Steuererhöhungen Zweidrittelmehrheiten, weshalb sich die Abgeordneten lieber in einen Stellungskrieg begaben, statt Entscheidungen herbeizuführen.
Kürzungen scheiterten an den überaus mächtigen Gewerkschaften. Und schließlich hatten Referenden einen Teil der Steuereinnahmen festen Zwecken gewidmet und damit unantastbar gemacht. Die Lage war verzwickt. Die Kreditgeber rückten kein Geld heraus, weil es der Regierung damals an einem Mechanismus fehlte, einen Überschuss zu erwirtschaften. Schwarzenegger kämpfte mit den Abgeordneten und machte schließlich folgende Kalkulation auf. Statt einer abermaligen Flickschusterei zuzustimmen, wollte er eine Dauerlösung für den Haushalt erreichen. Und solange die nicht da war, musste das Geld anders beschafft werden. Die Lösung hieß IOU, sie wurde zum dritten Mal nach 1933 und 1992 ergriffen. Sie war, das nahm der Hollywood-Star im Amt billigend in Kauf, mies fürs Image Kaliforniens, das ohnehin unter verschärfter Beobachtung der Ratingagenturen stand. So begann der Chefbuchhalter des Bundesstaats, John Chiang, Anfang Juli 2006 rund 327 000 dieser IOUs auszugeben im Wert von annähernd zwei Milliarden Dollar. Mit den Schuldscheinen wurden die Steuerrückerstattungen an die Steuerzahlern bezahlt und Rechnungen von Lieferanten und Dienstleistern beglichen. Die trefflichen Staatsdiener Kaliforniens waren einmal mehr auf der sicheren Seite. Gesetze verboten es, ihre Gehälter in IOUs zu bezahlen.
Die Schuldscheine waren mit einem Zins von 3,75 Prozent versüßt worden. Das war aber nur ein schwacher Trost für die Empfänger, vor allem für jene mit knappen liquiden Mitteln. Die Banken wurden von der Ausgabe der IOU nach eigenen Angaben völlig überrascht. Kleinere Banken nannten administrativ-technische Probleme als Begründung, warum sie die IOUs nicht annehmen konnten. Das war ihre Art, zu sagen: Wir wollen das Zeug nicht haben. Großbanken wie Wells Fargo, Bank of America und wenige andere akzeptierten Arnies Schuldscheine bis Mitte Juli, danach aber nicht mehr. So blieben die Risiken des Zahlungsausfalls häufig bei den Empfängern hängen.
Schwarzes Brett für Schuldscheine
Aber nicht immer: Amerika wäre nicht Amerika, wenn nicht findige Investoren eine Möglichkeit gewittert hätten, schnelles Geld zu verdienen. In Amerika gab es schon damals Craiglist, eine Internetversion des Schwarzes Bretts, das Kleinanzeigen aller Art publizierte. Auf Craiglist tauchten Inserate von IOU-Besitzern auf, die die Scheine loswerden wollten und dafür einen Preisabschlag hinzunehmen bereit waren. Das traf sich: Zugleich hatten erste Investoren Fonds gebildet, um IOUs zu kaufen. Eine andere Plattform, die sich erbot, Käufer für IOU zu bündeln, war das knapp fünf Jahre alte Unternehmen „secondmarket“, das sich auf die Vermittlung illiquider Vermögensgegenstände konzentriert hatte.
Die Kalkulation der IOU-Spekulanten war es, dass Kalifornien die Schuldscheine begleichen würde und dass sie bei Nachlässen zwischen zehn und 40 Prozent einen gewaltigen Profit erzielen würden. Das war vermutlich klug gedacht. Ob die Spekulation aufging, ist trotzdem nicht ganz klar. Denn der Spuk löste sich auf, als sich die Abgeordneten und der Gouverneur doch noch auf einen Haushalt verständigen konnten. Zwei Monate nach der Ausgabe konnte Kaliforniens Chefbuchhalter John Chiang die IOUs wieder einsammeln und dafür richtige Dollars überweisen. Ein Bankrott mit Schuldenschnitt war übrigens keine Alternative für den Bundesstaat, Gesetze verbieten diese Variante der Entschuldung.
Auch heute sind Kaliforniens Haushaltsprobleme nicht gelöst. Aber damit muss sich jetzt der Demokrat Jerry Brown herumschlagen, der Republikaner Schwarzenegger bewirbt gerade wieder einen Terminator-Film. Da der Bundesstaat aber ökonomisch ein Kraftprotz ist, der sich anschickt, Brasilien als siebtgrößte Volkswirtschaft abzulösen, haben die Kreditgeber offenbar ein Urvertrauen, dass sie ihr Geld wieder sehen. Da spielt Griechenland doch in einer anderen Liga.