Hans-Werner Sinn : „Der Grexit ist die Rettung“
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Hans-Werner Sinn ist Präsident des Ifo-Instituts und Wirtschaftsprofessor in München. Bild: Frank Röth
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn fordert, endlich offen den Konkurs der Griechen zu erklären. Deutschland habe genug gezahlt. Der Grexit sei für alle die bessere Lösung, sagt er im Interview.
Herr Sinn, am heutigen Montag wollen Europas Regierungschefs zu einem großen Sondergipfel zum Thema Griechenland zusammenkommen. Was wäre die sinnvollste Lösung?
Aufhören, Geld zu verbrennen. Seit fünf Jahren betreiben wir Konkursverschleppung. So darf es nicht weitergehen.
Wäre es vernünftig, die Griechen jetzt aus dem Euro zu werfen?
Nein. Griechenland muss das selbst entscheiden. Nur kann es nicht verlangen, dass es mit immer mehr Geld im Euro gehalten wird. Wenn Alexis Tsipras keinen Konkurs will, muss er die staatlichen Renten kürzen, die höher als die gesetzlichen Renten in Deutschland sind und einen riesigen Posten im Budget ausmachen. Sie sind höher, als das, was das Land finanzieren kann. Wenn er stur bleibt, macht der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht mehr mit, und die Troika kann keinen Kredit mehr geben. Dann tritt der Konkurs ein. Der ist extrem unschön.
Animation : Was bedeutet eigentlich "Grexit"?
Wer sollte denn aus Ihrer Sicht den Stecker ziehen?
Keiner. Nur sollte auch kein neuer Stecker in die Dose gesteckt werden. Die Südländer und Frankreich wollen, so hört man, den IWF rauskegeln. Die Euroländer sollen nun dessen Forderungen mitbedienen und Griechenland neuen Kredit geben. Davor warne ich mit Nachdruck, weil Giannis Varoufakis dann sein Ziel erreicht hätte, die Troika zu zerstören. Ohne den IWF wird sich der Druck der Krisenländer und Frankreichs gegenüber Deutschland ins Unermessliche steigern. Dann folgt ein Griechenland nach dem anderen.
Es gibt viele Leute, die Angst vor einem Grexit haben. Könnte sich das zu einer menschlichen Tragödie für Griechenland entwickeln?
Nein, der öffentliche Diskurs ist da völlig verzerrt und falsch. Der Staatsbankrott wird für die Griechen hart, aber der Grexit nach dem Bankrott ist die Rettung. Das Ifo-Institut hat jene 70 Staaten untersucht, die in der Zeit nach dem Krieg in den Konkurs gingen und dann abwerteten. Das Ergebnis war eindeutig. Es gibt zunächst eine harte Phase, aber nach etwa ein bis zwei Jahren wächst die Wirtschaft wieder. Eine neue Studie von Oxford Economics hat das gerade noch mal bestätigt.
Die Aktienmärkte scheinen vor dem Grexit zu zittern...
Sie sind erstaunlich ruhig. Die Risikoaufschläge der Staatsanleihen der anderen südlichen Eurostaaten sind gefallen, während sie für Griechenland explodierten.
Wie würde der Grexit denn konkret verlaufen? Müsste man eine Parallelwährung einführen, wie unser Kolumnist Thomas Mayer der griechischen Regierung vorgeschlagen hat?
Wenn ich ihn recht verstehe, will er eine schleichende Umstellung auf dem Wege über handelbare Schuldscheine, mit denen der griechische Staat seine Gehälter bezahlen könnte, während der Euro das gesetzliche Zahlungsmittel bleibt. Das wird das Wettbewerbsproblem nicht lösen. Man muss es umgekehrt machen. Nach dem Konkurs führt die griechische Regierung per Gesetz die Drachme wieder als virtuelles gesetzliches Zahlungsmittel ein, während Eurobanknoten als Parallelwährung in Umlauf bleiben. Alle Preise, Löhne, Konten und Kontrakte, auch die Miet- und Kreditkontrakte, werden über Nacht auf Drachme umgestellt. Die Drachme wird sofort abwerten, vielleicht um 50 Prozent. Die Euroscheine dienen dann noch für Bargeschäfte, während die Rechnungen schon auf Drachme laufen.
Wäre es klug, die neue Währung wieder Drachme zu nennen? Wären die alten Scheinen wieder gültig?
Natürlich werden die alten Drachmen-Scheine nicht wieder gültig. Auch der alte Umrechnungskurs funktioniert nicht mehr. Er wäre bei der Umstellung eins zu eins, doch dann würde die Drachme abwerten und deutlich billiger werden. Der Name spielt aber keine Rolle.
Schuldenkrise in Griechenland : Was würde nach dem Grexit passieren?
Wie schnell könnte so etwas gehen?
Der Grexit wäre sofort möglich. Bis man die Scheine dann physisch zur Verfügung hat, könnten Wochen und Monate vergehen. Es sei denn, die griechische Regierung hat Vorkehrungen getroffen und heimlich Geld gedruckt, was ich nicht weiß.
Bräuchte man Kapitalverkehrskontrollen?
Die braucht man in der Zeitspanne zwischen Konkurs und Austritt. Nach dem Austritt braucht man sie nicht mehr, weil das Fluchtkapital nach einer Abwertung sofort zurückkehrt.