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War er Schuld an der Krise? : Griechischer Chefstatistiker vor endgültiger Verurteilung

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Andreas Georgiou im Juli 2010 in Athen. Bild: AP

In Athen war längst klar, dass Andreas Georgiou als Sündenbock für die Griechenland-Krise benutzt werden soll. Jetzt droht ihm tatsächlich eine Gefängnisstrafe.

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          Der frühere griechische Chefstatistiker Andreas Georgiou steht vor seiner endgültigen Verurteilung. Wie Georgious’ Rechtsanwalt Konstantinos Papdiamantis der F.A.Z. mitteilte, hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass der ehemalige Chefstatistiker nun wegen Verletzung seiner Amtspflichten endgültig zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt werden soll.

          Das Urteil werde in den kommenden Tagen verkündet. Die Haftstrafe soll vorerst zur Bewährung ausgesetzt werden, so lange nicht weitere Strafen hinzukommen. Zudem strenge die griechische Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen mit dem Ziel an, Georgiou die Weitergabe falscher Daten und die Missachtung der Regeln in der Amtsführung nachzuweisen.

          Die Leiter von Statistikämtern in aller Welt und offizielle Vereinigungen von Statistikern hatten den Prozess gegen Georgiou immer wieder als politisches Verfahren bezeichnet und seinen Freispruch gefordert. Georgiou, ehemals stellvertretender Chefstatistiker des IWF, war 2010 zum Präsidenten der griechischen Statistikbehörde ernannt worden. In den Jahren zuvor hatten Datenfälschungen zum Misstrauen der Investoren gegenüber Griechenland beigetragen, dessentwegen 2009 schließlich niemand mehr dem Land Geld leihen wollte.

          Georgiou verstrickt sich in seinen Aussagen

          Doch in der Generalstaatsanwaltschaft und nun offenbar auch im obersten Gericht wird die Auffassung unterstützt, dass Georgiou an der Griechenland-Krise schuld sei, weil er die Daten über das Haushaltsdefizit 2009 nach oben korrigiert hatte. Im November 2010 hatte das griechische Statistikamt mitgeteilt, das Defizit von 2009 betrage 15,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und nicht wie zuvor verkündet 13,6 Prozent. Leitende Mitarbeiter des Statistikamtes, die dort schon in den Zeiten der falschen Daten arbeiteten, verlangten über die Zahlen von 2009 eine Abstimmung im Verwaltungsrat; angeblich wollten sie den Wert auf 3,9 Prozent des BIP festzusetzen. Doch Georgiou setzte sich darüber hinweg.

          In einer Zeugenaussage hatte 2012 der damalige Generaldirektor von Eurostat, Walter Radermacher, bestätigt, dass die Entscheidungskompetenz für die Zahlen aus Griechenland alleine bei Präsident Georgiou gelegen hatte. Die Zahlen in früheren Jahren seien zudem immer wieder als unglaubhaft eingestuft worden, betonte Radermacher damals, und verwies auf zwei ausführliche Berichte von Eurostat zu den falschen Haushaltsdaten. Seit der Amtsführung von Georgiou seien dagegen die Daten des griechischen Statistikamtes dagegen ohne Beanstandungen geblieben.

          Georgiou selbst hatte immer wieder mit Stolz darauf hingewiesen, dass die Arbeit der griechischen Statistiker von internationaler Seite seit Beginn seiner Amtszeit als perfekt angesehen wurde. Nun beklagt er, dass er einerseits wegen angeblich falscher Daten bestraft werde, dass andererseits genau die nach seiner Methodik berechneten Daten wiederum die Grundlage für die Auszahlung von Milliardenkrediten an Griechenland seien.

          Doch in Athen ist längst klar, dass Georgiou als Sündenbock für die Krise benutzt werden soll. Die Prozesse gegen ihn werden nicht nur von der linken Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras mit Wohlwollen gesehen, sondern auch von dem früher regierenden Flügel der konservativen Nea Demokratia, der mit jahrelanger Klientelwirtschaft besonders viel Geld veruntreut hatte. Georgiou wird vorgehalten, er habe mit „seinen“ Zahlen die Lage verschlimmert – obwohl er erst im August 2010 sein Amt antrat, als die Griechenland-Krise fast ein Jahr alt war und wenige Tage später der erste Sanierungsplan unterzeichnet wurde.

          Leitende Mitarbeiter des Statistikamts, die mit jahrelangen Datenfälschungen die Krise mit heraufbeschworen haben, sind dagegen nicht verurteilt worden. Im Gegenteil: Georgiou verlor einen Prozess wegen übler Nachrede, weil er in einer Mitteilung auf falsche Daten in der Vergangenheit hingewiesen hatte.

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