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Griechenlands Schuldenkrise : Die längst überfällige Justizreform ist durch

  • -Aktualisiert am

Am Eingang zur Akropolis verteilen Mitarbeiter des Kultusministeriums Zettel an Touristen, um auf den sechsmonatigen Zahlungsrückstand bei ihren Gehältern aufmerksam zu machen. Bild: AFP

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat in einer Woche mehr umstrittene Reformen durch das Parlament gebracht als alle seine Vorgänger. Es gilt: Erst muss das Hilfsprogramm stehen, dann sind die Abweichler dran.

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          Die zweite Eilvorlage war für die griechische Regierung einfacher als die erste. Jedoch bleibt der Widerstand des linken Flügels in der Regierungspartei Syriza gegen die Politik von Ministerpräsident Alexis Tsipras groß. Vor einer Woche hatten noch 39 der 149 Abgeordneten von Syriza nicht für weitere Steuererhöhungen und neue Ausgabenkürzungen gestimmt. In der Nacht zum Donnerstag verweigerten noch 36 Syriza-Abgeordnete der Reform des Justizwesens und der Einführung der EU-Bankendirektive die Gefolgschaft – ebenso wie die Abgeordneten der Kommunistischen Partei und der faschistischen Goldenen Morgenröte. 230 der 300 Abgeordneten stimmten für die Vorlage der Regierung; eine Woche zuvor waren es 229.

          Ministerpräsident Tsipras hat damit in einer Woche mehr umstrittene Projekte durch das Parlament gebracht als alle seine Vorgänger. Zum einen hat er damit die Vorleistungen (“prior actions“) aus dem Abschlussdokument des EU-Gipfels vom 12. Juli erfüllt, so dass Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm beginnen können. Zum anderen hat Tsipras die Rebellion der Parteilinken, die sich im wesentlichen aus Kommunisten zusammensetzt, abblitzen lassen, so dass sie die Reformpolitik nicht gefährden.

          In der kontrovers geführten Debatte gestand Tsipras abermals ein, dass sich die Regierung für einen „Kompromiss“ entschieden habe, „der uns zwingt, ein Programm umzusetzen, an das wir nicht glauben“. Er fügte jedoch hinzu: „Wir werden es aber umsetzen, da wir vor schwierigen Entscheidungen stehen.“ Denn es gebe „konservative Kräfte in Europa, die Griechenland weiter aus dem Euro werfen wollen“.

          Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou stimmte abermals gegen die Regierungsvorlage. Sie bezeichnete die Justizreform als einen „Angriff auf die Demokratie“. Der bisherige Energieminister und Führer der „Linken Plattform“ in Syriza, Panagiotis Lafazanis, sagte nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses um drei Uhr morgens, Meinungsverschiedenheiten stärkten die Partei, und er bleibe Mitglied von Syriza. Vergangene Woche noch im Lager der Abweichlert stimmte der von Tsipras gefeuerte frühere Finanzminister Giannis Varoufakis, der immer mehr zum wichtigsten innerparteilichen Gegenspieler des Ministerpräsidenten wird, dieses Mal für die Regierung.

          Regierungssprecherin Olga Gerovasili gestand am frühen Donnerstagmorgen ein: „Der Spalt ist sichtbar.“ Die konservative Zeitung Kathimerini titelte: „Ganz nah an der Spaltung“, die Zeitung „Ta Nea“ nannte die Abweichler „Drachmisten“ und schrieb, Tsipras werde mit ihnen abrechnen, sobald die Verhandlungen mit den Gläubiger abgeschlossen seien.

          In den Parteigremien sind die Linken stärker vertreten als in der Parlamentsfraktion und unter den Wählern von Syriza. Tsipras hatte seinen Kritikern vor dem Beginn der Parlamentsdebatte in einer Parteisitzung vorgeworfen, sie gäben heroische Erklärungen ab, schlügen aber keine brauchbaren Alternativen vor.

          Ran an die Banken

          Im Falle einer Neuwahl könnte Tsipras den linken Parteiflügel entmachten. Denn: Nach griechischem Gesetz kann ein Parteivorsitzender bei einem vorgezogenen Urnengang, der innerhalb von 18 Monaten nach dem letzten stattfindet, die Kandidatenliste seiner Partei ohne Parteikongress alleine festlegen.

          Spekulationen über Neuwahlen trat Regierungssprecherin Gerovasili indessen entgegen. Wahlen sollten dann stattfinden, wenn das Land sie brauche, sagte sie. Jetzt gelte es, die Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket zu führen und wieder Normalität herzustellen.

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