Update unseres Krisenlexikons : Grexit, Grexitus, Merkollande
- Aktualisiert am
Wenn Griechenlands Grexit nicht kommt - den gleichnamigen Schnaps hat sich ein deutscher Unternehmer schon einmal patentieren lassen. Bild: Reuters
Die Krise Griechenlands hat viele neue Fachbegriffe hervorgebracht. Sie müssen sie unbedingt kennen, wenn Sie die vielen Analysen und Berichte leichter verstehen wollen. Hier kommt eine neue Fassung, die Ideen unserer Leser enthält.
Egal wie das Referendum heute ausgeht, wissen wir noch nicht ganz konkret, wie es ab morgen weitergeht. Hier kommt deswegen schon einmal für die Tage nach dem Referendum ein kleines Griechenland-Krisen-Vokabular, das helfen soll, die vermutlich unzähligen Analysen, Kommentare, Berichte und Stellungsnahmen zu verstehen (alles Banker-, Ökonomen- und Journalisten-Slang):
Grexit: Kennt mittlerweile jeder. Bezeichnet den (geordneten/gewollten) Austritt Griechenlands aus der Währungsunion. Erfunden hat diese Wortschöpfung der Citigroup-Ökonom Ebrahim Rahbari vor wenigen Jahren. Er selbst ist mittlerweile der Ansicht, dass der Grexit nicht kommt, beziehungsweise dass die Wahrscheinlichkeit dafür deutlich gesunken ist.
Graccident: Etwas weniger bekannt. Bezeichnet den (ungeordneten/ungewollten) einem Unfall gleichkommenden Austritt Griechenlands aus dem Euro. Je nach Sichtweise und Spekulation ist dies das insgeheime Ziel der Gläubiger oder der griechischen Regierung. Kommt aber gerade außer Mode, weil mittlerweile niemand mehr glaubt, dass Griechenland zufällig aus dem Euro austräte, wenn es so käme.
Gremain: Kommt vielleicht gerade in Mode. Bezeichnet den Fall, in dem Griechenland pleitegeht und in der Währungsunion bleibt (frei übersetzt "Griechenland bleibt") – nach dem Zahlungsausfall gegenüber dem Internationalen Währungsfonds Ende Juni ist dies im Grunde der aktuelle Zustand. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat ziemlich deutlich darüber gesprochen in einem Interview mit "Politico". Der Gremain ist auch politisch möglicherweise aus Sicht der Gläubiger nicht uninteressant, weil die mittlerweile von ihnen vielfach abgelehnte griechische Führung infolgedessen kollabieren könnte. Zumindest ist nicht unwahrscheinlich, dass sie in ihrer jetzigen Form nicht mehr allzu lange im Amt ist.
Greferendum: Bezeichnet die Abstimmung in Griechenland an diesem Sonntag, die vermutlich wesentlich für die Frage ist, ob das Land in der Währungsunion bleibt oder zumindest (vorübergehend) eine Parallelwährung einführen muss. Oder eben ganz aus dem Euro austritt (Grexit!).
Grecovery: Ist noch nicht in Mode, sondern derzeit vor allem ein Hoffnungswert unter Optimisten. Bezeichnet die wirtschaftliche wie politische Erholung Griechenlands von der Krise. Wenn die Grecovery kommt, dürfte die Euro-Krise vermutlich endgültig vorüber sein.
Brexit: Ist eine Folge-Wortschöpfung, abgeleitet aus dem Grexit. Bezeichnet den möglichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, über den die Briten vielleicht schon im kommenden Jahr abstimmen werden. Stand heute dürften sie sich eher dafür entscheiden, zu bleiben.
Frexit: Ist ebenfalls eine Folge-Wortschöpfung des Grexit (und des Brexit). Bezeichnet den Austritt Frankreichs aus der Währungsunion - ins Gespräch gebracht hat diesen Begriff gerade die Chefin des rechtspopulistischen Front National Marine Le Pen in einem Interview mit dem Finanzdienst Bloomberg, als sie sagte: „Nennen Sie mich einfach Madame Frexit.“
Merkollande: Ähnlich gedacht, aber nicht ganz zu eng wie Brangelina. Bezeichnet zusammengefasst das mittlerweile vielfältig einsetzbare Diplomatenduo Angela Merkel und Francois Hollande. Sie haben sich in vielen Treffen persönlich mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras zusammengesetzt. Außerdem haben sie in wesentlich bedrohlicheren Konflikten wie dem Krieg im Osten der Ukraine vermittelt.
Unsere FAZ.NET-Leser haben als Ergänzungen im Krisen-Lexikon vorgeschlagen:
Grexitus: Das Kollabieren der griechischen Wirtschaft - wenn die Banken noch viel länger geschlossen bleiben und der Kapitalverkehr beschränkt.
Ösirendum: Volksbegehren Österreichs für einen EU-Austritt. Für den Austritt selbst bietet sich vielleicht Auxit an.
Und F.A.Z.-Mitherausgeber Berthold Kohler hatte in seiner "Fraktur"-Kolumne (am 22. Mai!!) schon den "Luxit" erdacht - den Austritt Bernd Luckes aus der Alternative für Deutschland.
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Leben mit dem drohenden Grexit

Für Griechenland sind es schicksalhafte Tage: Die Hilfsprogramme sind ausgelaufen, an den Geldautomaten gibt es kaum noch Bares. Was bedeutet das für die Menschen vor Ort? Wie geht es ihnen? FAZ.NET berichtet in einer Serie.
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