Nach dem Referendum : Griechenlands Gläubiger stellen sich taub
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Ein Zeitungskiosk in Athen am Montag nach dem Referendum. Bild: AFP
Bekommt Griechenland nach seinem „Nein“ in der Volksabstimmung einen Reformrabatt oder einen Schuldenschnitt? Die Gläubiger sortieren sich – und klingen nicht sehr begeistert.
Am Tag nach Griechenlands „Nein“ zu den Reformbedingungen haben die Gläubiger des Landes wenig Neigung erkennen lassen, dem Land weiter Kredit zu geben und seine Altschulden zu erlassen.
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Mit einem 61-Prozent-Votum für „Nein“ im Rücken fordert Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras europäische Hilfen mit weniger Reformauflagen und vor allem einen Schuldenschnitt für das klamme Land – zumal der Internationale Währungsfonds vergangene Woche in einer älteren Analyse zwar keinen Schuldenschnitt für Griechenland vorgeschlagen hatte, aber Schuldenerleichterungen. „Jetzt wird die griechische Schuldenlast auf den Verhandlungstisch kommen“, sagte Tsipras am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Sein Finanzminister Giannis Varoufakis trat am Morgen zurück und begründete den Schritt damit, dass dies die Verhandlungen mit der Eurogruppe erleichtere.
Doch die Rhetorik der Gläubiger blieb am Montagvormittag unnachgiebig. „Es bringt uns nicht näher an eine Lösung“, sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem über das Referendum. Aus dem Finanzministerium in Deutschland hieß es, die Bundesregierung lehne einen Schuldenschnitt Griechenlands weiterhin ab. Auch Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling sieht nach eigenen Worten nicht viel Spielraum dafür, dass sich die Finanzminister während ihres Treffens am Dienstag auf Griechenland zubewegen.
Finanzkrise : Viele Griechen traurig über Rücktritt von Varoufakis
Über ein neues Rettungspaket für Athen sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert, Bundeskanzlerin Angela Merkel sehe vorerst keine Basis für Verhandlungen. Zur Zeit seien die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Am Montagabend will sie sich Frankreichs Präsident François Hollande treffen, um über die Krise zu beraten.
Anders klang Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Er sagte, seine Regierung sei offen für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket. Auch Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi fand, das Treffen der Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend müsse eine Lösung bringen.
„Griechenlands Platz ist und bleibt in Europa“
Valdis Dombrowskis, Vizepräsident der EU-Kommission, sagte, die Tür zu Gesprächen bleibe offen. „Griechenlands Platz ist und bleibt in Europa“, sagte er, sprach aber weder von der EU noch vom Euro.
Die Finanzierung des Staatshaushalts ist aber nicht Griechenlands einziges Problem. Auch die Banken haben nach Aussagen ihrer Spitzenmanager immer mehr Probleme, die Bargeldversorgung aufrechtzuerhalten. Sie bräuchten zusätzliche Notkredite von der Europäischen Zentralbank (EZB). Doch auch ob die genehmigt werden, ist fraglich. Österreichs Notenbankgouverneur Ewald Nowotny sagte, die Griechen hätten mit ihrem Nein die Entscheidung zu neuen Notkrediten nicht erleichtert.
Ein anderes Wort macht schon seit Tagen die Runde: das von der humanitären Hilfe für Griechenland. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat das schon am Sonntagabend in der ARD gefordert.
Was passiert eigentlich gerade mit Griechenland?

Kapitel 1: Gemeinsam wird alles besser
Kapitel 2: Ende der Euphorie
Kapitel 3: Wünsche werden erfüllt
In den vergangenen Wochen gibt es wegen dieser Frist immer wieder Krisengipfel, mal auf technischer Ebene mit den Finanzministern der Eurozone, mal der Staats- und Regierungschefs. Lange sieht es trotz vieler Verzögerungen so aus, als würde man sich irgendwie einigen. Die Geldgeber und Griechenland streiten zwar darüber, ob das Land die Reformbedingungen der Geldgeber vor allem durch eine Erhöhung der Einnahmen, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, oder auch durch Einschnitte, wie eine Kürzung der Renten, erreichen soll. Die Geldgeber fordern diese Einschnitte zwingend, Griechenland sträubt sich. Die meisten Beobachter gehen aber davon aus, dass man sich in langen Nachtsitzungen kurz vor Ende der Frist wieder einmal auf einen Kompromiss einigen wird. Die Europäische Zentralbank überbrückt die Finanzierungsschwierigkeiten Griechenlands in dieser Zeit mit Notkrediten (Ela). Die Griechen heben immer mehr Geld von ihren Konten ab.
Kapitel 4: Eskalation
Mit diesem Referendum ist nun einerseits klar, dass bis zum 30. Juni keine Einigung erzielt werden kann, denn die Abstimmung wird voraussichtlich erst am kommenden Wochenende stattfinden. Andererseits verprellt die griechische Regierung EU, EZB und IWF derart, dass Griechenland aus den Verhandlungen ausgeschlossen wird. Tsipras beantragt einer Verlängerung des Hilfsprogramm bis zum Referendum, doch die Geldgeber lehnen es ab. Die Fronten sind so verhärtet wie nie. Die Griechen versuchen so viel Geld wie möglich abzuheben, es bilden sich Schlangen an den Geldautomaten.
Die Ankündigung des Referendums zieht viele Schritte nach sich. Die Europäische Zentralbank erhöht ihre Notfallkredite nicht mehr. Da Griechenland diesen Kreditrahmen schon fast ausgeschöpft hat, kommt das Land nun nicht mehr an neues Geld heran. Die Regierung kündigt Kapitalverkehrskontrollen an und schließt die Banken. Die Griechen dürften seitdem nur noch 60 Euro am Tag an den Bankautomaten abheben und nur innerhalb des Landes Geld überweisen. Am 30. Juni bedient die griechische Regierung ihren Kredit beim IWF nicht und ist nun offiziell in Zahlungsverzug.