Gemeinsame Anleihen : Bund erkauft sich Zustimmung der Länder zum Fiskalpakt
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Nationales Krisengespräch: Wirtschaftsminister Rösler eilt zum Verhandlungsmarathon mit den Ländern Bild: dpa
Die Bundesregierung hat eine entscheidende Hürde zur Ratifizierung des Fiskalpakts genommen. Nach einer Spitzenrunde im Kanzleramt sagten die Länder ihre Zustimmung zu dem Vorhaben zu. Im Gegenzug musste der Bund Zusagen in Milliardenhöhe machen.
Bundesregierung und Bundesländer haben sich am Sonntag auf Eckpunkte zum europäischen Fiskalpakt geeinigt. Bund und Länder sollen demnach künftig gemeinsam Kredite aufnehmen können; die erste sogenannte Deutschland-Anleihe soll im kommenden Jahr begeben werden. Im Gegenzug für die Zustimmung der Länder, die am kommenden Freitag im Bundesrat über den Fiskalpakt abstimmen, übernimmt der Bund zudem unter anderem Kosten für den Bau von Kindertagesstätten und für die Eingliederungshilfe von Behinderten. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezifferte die zu erwartende Entlastung der Länder am Sonntagabend auf mehrere Milliarden Euro im Jahr.
Am Sonntag sorgte zudem ein Krisenszenario für ein drohendes Auseinanderbrechen der Eurozone für Wirbel. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte berichtet, nach internen Szenarien des Bundesfinanzministeriums würde Deutschland bei einem Auseinanderbrechen ein massiver Wirtschaftseinbruch drohen. Im ersten Jahr nach Rückkehr zur eigenen Währung könne die Wirtschaftsleistung um bis zu 10 Prozent sinken und die Zahl der Arbeitslosen könnte auf über 5Millionen steigen. Das Bundesfinanzministerium erklärte am Sonntag jedoch, man wisse nichts von einem Geheimpapier.
Schäuble für vollständigen Umbau der EU-Institutionen
Die Deutschen werden nach der Einschätzung Schäubles als Konsequenz aus der Euro-Schuldenkrise in absehbarer Zukunft über eine neue Verfassung abstimmen müssen. Wenn immer mehr Souveränität nach Brüssel übertragen werde, seien irgendwann die Grenzen des Grundgesetzes erreicht, sagte er dem „Spiegel“. Schäuble sprach sich für einen vollständigen Umbau der Brüsseler Institutionen aus, so die Direktwahl eines Präsidenten durch das Volk, eine Stärkung des EU-Parlaments und eine zweite Kammer mit Vertretern der Nationalstaaten. Bei einem Auseinanderbrechen des Euro - wovon er jedoch nicht ausgehe - bestehe die Gefahr, dass vieles in Frage gestellt werde, vom EU-Binnenmarkt bis zur Reisefreiheit. Schäuble sprach sich für eine gemeinsame Haushaltspolitik und einen EU-Finanzminister aus. Außerdem plädierte er für eine Bankenunion mit einer gemeinsamen Aufsicht.
Sein Amtsvorgänger Peer Steinbrück (SPD) sagte, auch er rechne in den kommenden zwei Jahren mit einer Volksabstimmung: „Wer den Verfassungsrichtern aufmerksam zugehört hat, weiß, dass es anders nicht geht.“ CSU-Chef Horst Seehofer sagte, die deutsche Leistungsfähigkeit dürfe nicht überdehnt werden: „Der Helfer darf nicht selbst zum Opfer werden.“ Die Grünen tragen trotz erheblicher interner Kritik den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM mit. Der Länderrat billigte einen entsprechenden Antrag der Parteiführung.
Van Rompuy warnt vor größeren Zugeständnissen
Nach Einschätzung des neuen Mitglieds im Sachverständigenrat Claudia Buch sind die Einkommen der Griechen zu hoch. Die Wissenschaftlerin sagte, sie sei überzeugt, dass den Menschen in Griechenland noch erhebliche Einschnitte bevorstehen. „Die Einkommen sind zu hoch im Vergleich zur derzeitigen Leistung der griechischen Wirtschaft.“ Buch mahnte zudem, dass die spanischen Banken jetzt rasch gerettet werden müssten. Bundesbankchef Jens Weidmann lehnte Milliardenhilfen aus den Euro-Rettungsschirmen ohne Sparauflagen ab. Eine entsprechende Forderung des italienischen Regierungschefs Mario Monti wies Weidmann zurück. „Der Vorschlag Montis läuft auf eine durch die EU-Verträge verbotene Staatsfinanzierung durch die Notenpresse hinaus.“ Auch Deutschlands führende Industriellenfamilie wendet sich derweil gegen eine überzogene Rhetorik der Euro-Retter, wonach der Euro über Krieg und Frieden in Europa entscheide. „Sogar ein Europa ohne Euro ist denkbar“, mahnte Stefan Quandt in einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy warnte unterdessen vor größeren Zugeständnissen an Griechenland. „Man muss berücksichtigen, dass mehr Flexibilität bei der zeitlichen Umsetzung auch mehr finanzielle Anstrengungen der Mitgliedsländer bedeutet“, sagte Van Rompuy der „Welt am Sonntag“. Die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds hat ihre für Montag geplante Reise nach Griechenland verschoben.