
Finanzkrise : Irrtum der Endzeitpropheten
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Wirtschaftskrise: ja - Weltuntergang: nein Bild: AFP
Apokalypse hat Konjunktur. Die Propheten des Weltuntergangs sind unter uns. Sie werden nicht Recht behalten. Denn der Kreislauf von Gier und Angst ist so alt wie die Menschheit. Und die Geschichte dreht sich weiter.
Es herrscht Endzeitstimmung. Der pathetische Ton der Apokalyptik ist en vogue: Von einer „Zäsur wie im Wendejahr 1989/1990“ ist die Rede: Damals sei der Sozialismus untergegangen, heute der Kapitalismus. „Kann schon sein, dass im Lauf der Jahre die Euphorie über das Ende des Kommunismus teilweise in Überheblichkeit abgeglitten ist“, moniert Bundespräsident Horst Köhler und schimpft, man habe den Kapitalismus als Heilslehre verherrlicht.
Allenthalben hat die Theorie der Zäsur Konjunktur. Wer nicht 1989 als Referenzpunkt wählt, kann es mit „Nine-Eleven“ versuchen. Gerne genommen wird auch der Vergleich aus der Naturgeschichte, wenn vom „Finanztsunami“ die Rede ist, der völlig überraschend uns alle überflutet. Das Tsunami-Bild lieben auch die Leute der Finanzelite, Joseph Ackermann zum Beispiel, denn es malt die Katastrophe ohne einen Schuldigen.
Suche nach Schurken
Vorherrschend aber ist die Suche nach den Schurken. Darauf versteht die große Koalition der Endzeitpropheten sich prima. „Der Etatist in seiner gemäßigten Form macht eine mangelhafte Regulierung verantwortlich, in seiner extremen Form aber die marktwirtschaftlichen Freiheiten überhaupt, wo er sich dann mit dem Sozialisten trifft, der sich wiederum in der moralischen Verurteilung eines exzessiven Erwerbsstrebens, auch Gier genannt, mit dem Moraltheologen verbündet hat“, sagt der Hohenheimer Ökonom Hans-Peter Burghof. Kein Wunder, dass die Banker sich als Büßer verkleiden.
Je apokalyptischer die Zäsur gemalt wird, desto verderbter muss die Zeit davor davon abgesetzt werden: Kriminelle Finanzjongleure, destruktive Banker und verantwortungslose Geldpolitiker haben sich offenbar verschworen, die Welt in den Untergang zu treiben. Ein historisch einmaliger Vorgang. Wer das Ganze geschichtsphilosophisch überhöht, erklärt die schmerzhafte Krisenerfahrung als notwendigen Läuterungsprozess auf dem Weg zurück zur wirtschaftlichen Tugend.
Spekulationsblasen sind so alt wie der Finanzkapitalismus
Doch es geht auch ohne Apokalypse. „Geschichte ist nichts anderes als die Liste aller Verbrechen, Torheiten und Missgeschicke der Menschheit“, sagt Edward Gibbon, der Historiker des britischen Empire. Mit anderen Worten: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Spekulationsblasen sind so alt wie der Finanzkapitalismus. Sie unterliegen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Erst wagen die Menschen gar nichts und scheuen jedes Risiko. Dann entdeckt plötzlich einer irgendwo ein neues Geschäft, und ein anderer ist bereit, ihm Geld zu leihen, weil er selbst daran mitverdienen möchte. Plötzlich machen alle mit, weil sie ziemlich dumm dastünden, wenn ihre Umwelt den großen Reibach ohne sie machen würde: ein Rausch, der lange gut geht. Doch dann bekommt ein wichtiger Spieler Angst und verweigert eine Zahlung. Plötzlich ist das Vertrauen dahin – die Blase platzt, und die Bankiers werden auf die Guillotine geschickt. Doch wenig später muss man sie wieder reanimieren: Die Welt braucht Geld.
„Die Geschichte des großen spekulativen Booms und seiner Folgen ändert sich nur in Kleinigkeiten. Viel, viel mehr bleibt gleich“, schrieb der amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith. Das klingt frivol vor dem Hintergrund der ständig sich übersteigernden Superlative, wie stark die Weltwirtschaft demnächst schrumpfen wird, wie lange das dauern wird und dass wir das alles zum ersten Mal erleben.
Immer nach dem Muster von Gier und Angst