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Europa Schuldenkrise : Der riskante Griff nach dem Hebel

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Frankfurter Bankenidylle: In der Ruhe liegt die Kraft

Frankfurter Bankenidylle: In der Ruhe liegt die Kraft Bild: dpa

Als Alternative zu den staatlichen Rettungsschirmen haben die Gastautoren kürzlich die Rekapitalisierung der Banken vorgeschlagen. Nun erläutern sie, warum eine privat finanzierte Stärkung der Banken einer staatlichen Hilfe vorzuziehen ist.

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          Die Signale sind alarmierend: Die Risikoprämie für deutsche Staatsanleihen hat sich seit Beginn der EU-Schuldenkrise verzehnfacht. Noch sind es lediglich 1,2 Prozent, aber die Prämie ist seit August höher als die für britische Staatsanleihen. Dabei gilt außerhalb der Eurozone gerade die britische Verschuldungssituation als besonders brisant.

          Weitere Menetekel sind unübersehbar: Noch im August haben die großen Rating-Agenturen den französischen Staatsanleihen ein Top-Rating (AAA) mit stabilem Ausblick bescheinigt. Mitte Oktober aber stellt Moody’s dieses Urteil in Frage und droht mit einer Herabstufung.

          Rettungsschirme funktionieren nicht

          Wie können in kurzer Zeit Zweifel an der Solvenz Deutschlands und Frankreichs entstanden sein, wenn nicht durch die immer kopfloser wirkende Politik der Rettungsschirme? Im Mai 2010 als ausdrücklich befristete Institution beschlossen, hielt man es im März 2011 für nötig, diese in eine permanente umzuwandeln.

          Im Juni wurde das Ziel verkündet, das für Rettungsaktionen verfügbare Volumen von 250 Milliarden Euro auf 440 Milliarden Euro fast zu verdoppeln, im September und Oktober stimmten die nationalen Parlamente diesem Vorhaben unter erheblichem politischen Druck schließlich zu, und kaum eine Woche nach der letzten (slowakischen) Parlamentsentscheidung verkündeten Europas politische Führer, dass das erhöhte Volumen inzwischen unzureichend sei und eine „Hebelwirkung“ anzustreben sei, die das Volumen effektiv bis hin zum Fünffachen des bislang Bewilligten treiben könnte.

          Mit der Hebelwirkung steigt natürlich auch das Risiko. Das kann auch durch vernebelnde Hinweise der Bundesregierung hinsichtlich einer unveränderten maximalen Garantiesumme nicht verdeckt werden. Wenn von Staatsanleihen im Wert von 500 Milliarden Euro die riskantesten 20 Prozent „versichert“ werden, ist das Risiko erheblich höher, als wenn 100 Milliarden Euro zu 100 Prozent garantiert werden.

          Das liegt daran, dass eine Staatsinsolvenz praktisch nie ein Totalausfall ist, sondern typischerweise einen Forderungsausfall von 20 bis 30 Prozent mit sich bringt. Bei einer Ausfallrate von 20 Prozent bedeutet ein fünffacher Hebel ein fünffaches Risiko.

          Schaden für deutsche Kreditwürdigkeit unverkennbar

          Geht es nach der Bundesregierung, soll künftig nur noch genau diese gefährliche Marge „versichert“ werden - allerdings wohl nicht gegen eine angemessene Versicherungsprämie. So kann zwar mit derselben Garantiesumme ein viel größeres Volumen von Staatsanleihen gestützt werden, aber nur zum Preis einer entsprechend hohen Risikosteigerung für die Bundesrepublik Deutschland.

          De facto kommt die „Hebelung“ einer Vervielfachung der Gewährleistungsverpflichtungen im bisherigen System der EFSF gleich. Der Schaden für die deutsche Kreditwürdigkeit ist bereits jetzt unverkennbar.

          Irland und Portugal haben sich verabschiedet

          Die ursprüngliche Idee der Rettungsschirme ist längst überholt. Es ist nicht mehr so, dass die Solidargemeinschaft aller Euro-Staaten für den kleinen Sünder Griechenland geradesteht. Inzwischen haben sich Irland und Portugal aus dem Kreis der Bürgen verabschiedet, weil sie selbst hilfebedürftig geworden sind. Spaniens und Italiens Kreditwürdigkeit sinkt, und vielerorts wird erwartet, dass sie ebenfalls illiquide werden.

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