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Eurokrise : EU will Haushaltsdefizite kleiner rechnen

Bild: dpa

Krisenstaaten mit hoher Arbeitslosigkeit dürfen auf mehr Milde hoffen. Denn die EU will ihre Defizitzahlen drücken - indem sie die Rechenweise ändert.

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          Es klingt technisch, hat aber enorme Auswirkungen. Die EU-Institutionen erwägen offenbar, die Methode zur Kalkulation der nationalen Haushaltsdefizite zu verändern - und zwar so, dass Krisenstaaten mit hoher Arbeitslosigkeit besser dastehen als bisher. Entsprechend könnten sie die Defizitziele der EU leichter erreichen. Das bedeutet: Spanien und andere südeuropäische EU-Staaten dürfen auf deutlich mildere Sparauflagen hoffen.

          Hendrik Kafsack
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.

          Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn bestätigte am Freitag in Brüssel, dass es technische Beratungen dazu auf Fachebene gegeben habe. Es sei aber noch keine Entscheidung gefallen. Das könnte jedoch schon in der kommenden Woche geschehen, hieß es in Brüssel. Dann müsste die Kommission die neue Berechungsmethode wohl schon bei ihrer Herbstprognose anwenden.

          Die Zustimmung der Finanzminister zu der Änderung sei nicht zwingend erforderlich, hieß es in Diplomatenkreisen. Die Minister könnten die Entscheidung aber faktisch an sich ziehen. Damit werde die Position der Bundesregierung in den kommenden Tagen eine entscheidende Rolle spielen, hieß es weiter in Brüssel. Die deutsche Regierung war in die Überarbeitung der Berechnungsmethode auf Beamtenebene eng eingebunden und hat sich dem Vorhaben dem Vernehmen nach auch nicht entgegengestellt.

          So ändert sich die Defizit-Rechnung

          Kern der Überarbeitung ist die Berechnung des sogenannten strukturellen Defizits. Es gibt an, wie noch das Haushaltsdefizit eines Staats ist, wenn es um Konjunktureinflüsse und einmalige Effekte bereinigt wird. Es darf seit der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen und ist damit die entscheidende Kennziffer für die Sparvorgaben an die EU-Staaten.

          Um das strukturelle Defizit zu verringern, wollen die Mitglieder der federführenden Arbeitsgruppe die natürliche Arbeitslosigkeit klein rechnen. Die natürliche Arbeitslosenquote zeigt an, wie viele Arbeitnehmer selbst in guten Zeiten keine Stelle finden. Wenn diese Zahl hoch ist, wächst die Wirtschaft auch auf dem Konjunkturhöhepunkt nur begrenzt. Also ist auch das Defizit höher. Die Europäische Kommission macht darum Staaten mit hoher natürlicher Arbeitslosigkeit striktere Sparauflagen als anderen.

          Spanien dringt vor diesem Hintergrund seit langem darauf, dass die Berechnung geändert wird, und hat dabei Unterstützung von anderen südeuropäischen Staaten. In Spanien liegt die natürliche Arbeitslosigkeit nach den Berechnungen der EU-Kommission nach der bisherigen Methode momentan bei klar mehr als 20 Prozent. Die EU-Behörde hat das auf die Verkrustung des Arbeitsmarkts zurückgeführt.

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