Euro-Rettungsschirm : Frankreich gesteht Vertragsbruch ein
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Man habe Griechenland helfen müssen, sagt Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde Bild: Reuters
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hat zugegeben, dass der Rettungsschirm für die Euro-Staaten und die Hilfskredite für Griechenland gegen die Europäischen Verträge verstoßen. Beide Instrumente seien „im Lissabon-Vertrag nicht vorgesehen“.
Der Rettungsschirm für die Euro-Staaten und die Hilfskredite für Griechenland verstoßen laut der französischen Finanzministerin Christine Lagarde gegen die Europäischen Verträge. Beide Instrumente seien „im Lissabon-Vertrag nicht vorgesehen“, sagte Lagarde der Süddeutschen Zeitung. „Wir sind über die bestehenden Regeln hinausgegangen“. Lagarde begründete den Vertragsbruch damit, dass man Griechenland habe helfen müssen. „Griechenland, das ist Euroland, das ist der Euro.“
Die Bundesregierung und die EU-Kommission hatten den Regelverstoß bisher stets bestritten und argumentiert, die Hilfsaktion sei durch Artikel 122 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEU) gedeckt. Dieser erlaubt finanziellen Beistand für einen Staat im Fall von Naturkatastrophen oder „Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen“. Allerdings haben die EU-Staats- und Regierungschefs vor einer Woche auf Druck der Bundesregierung eine Vertragsänderung beschlossen, die den von Lagarde eingeräumten Rechtsbruch heilen soll. Anders als für Deutschland ist für Frankreich ein Verstoß gegen das Bail-Out-Verbot von Artikel 125, der die Haftung eines Staates für die Verbindlichkeiten eines anderen ausschließt, kein grundsätzliches Problem. Der französische Europaminister Pierre Lellouche hatte im Mai davon gesprochen, die EU habe „de facto den Vertrag geändert“ (siehe Minister Lellouche: Euro wie Bündnisfall).
Lagarde machte zudem einige Vorschläge zur Diskussion über eine europäische Wirtschaftsregierung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der vergangenen Woche angekündigt hat. Künftig müsse jeder EU-Staat berücksichtigen, wie sich seine Wirtschaftspolitik auf die anderen auswirke. „Wer seine Exportbilanz aufbessern und Investitionen in einem Bereich erhöhen will, der tangiert damit die anderen EU-Staaten. Eine Wirtschaftsregierung bedeutet, vorher die Zustimmung der anderen einzuholen.“ Die Ministerin betonte, die EU-Kommission dürfe allenfalls „Impulse“ geben. Die „strategischen Entscheidungen“ müssten die Staats- und Regierungschefs treffen. Lagarde schloss zugleich aus, den Nationalstaaten die Hoheit über ihr Budgetrecht zu entziehen. Möglich sei aber, die „Vorbereitung der Steuergesetze“ abzustimmen. Darüber hinaus sei eine europäische „Schiedsstelle“ zur Beurteilung der nationalen Wirtschaftspolitiken notwendig. Als Vorbild nannte sie die neugeschaffene EU-Finanzaufsicht, deren Befugnisse begrenzt sind. An der Wirtschaftsregierung beteiligen müssten sich laut Lagarde mindestens die (von Jahresbeginn 2011 an 17) Euro-Staaten. Die anderen könnten sich beteiligen, soweit sie das wollten.
Merkel hatte nach dem EU-Gipfeltreffen vor einer Woche in Brüssel gesagt, die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs gingen „wieder ein Stück in Richtung Wirtschaftsregierung“. Die Bundesregierung setzt aber andere Prioritäten als Frankreich. Sie will vor allem Euro-Staaten mit geringerer Wettbewerbsfähigkeit zu Reformen drängen, etwa zur Erhöhung des Renteneintrittsalters oder zur Öffnung der Arbeitsmärkte. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) wies die Idee einer Wirtschaftsregierung komplett zurück. Dies sei „nicht das richtige Projekt“. Wer daran überhaupt denke, „arbeitet an der falschen Baustelle“, sagte Brüderle in Berlin. Vielmehr müsse es darum gehen, einen „nachhaltigen Schutzmechanismus für die Gemeinschaftswährung“ zu finden.