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Euro-Rettungspolitik : Schäuble wirft Ifo-Chef „Milchmädchenrechnungen“ vor

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„Ich finde, Milchmädchen dürfen Milchmädchenrechnungen vorlegen“, sagt Finanzminister Schäuble. Für Professoren gälten andere Regeln.

„Ich finde, Milchmädchen dürfen Milchmädchenrechnungen vorlegen“, sagt Finanzminister Schäuble. Für Professoren gälten andere Regeln. Bild: DPA

Bundesfinanzminister Schäuble hat die permanente Kritik an seiner Krisenpolitik satt: Dem renommierten Ökonom Sinn wirft er vor, mit Milchmädchenrechnungen das Volk zu verunsichern. Besonders ärgerlich daran sei, dass dessen Institut „mit viel Geld vom Steuerzahler subventioniert“ werde.

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          Schluss mit lustig: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, frontal angegriffen. Dieser hatte vor ein paar Tagen vorgerechnet, dass ein Austritt Griechenlands für Deutschland billiger sei als der Verbleib des Krisenlandes im Euroraum. „Ich finde, Milchmädchen dürfen Milchmädchenrechnungen vorlegen“, sagte Schäuble der „Welt am Sonntag“. Bei Professoren sehe das anders aus. „Mit der Autorität von akademischen Titeln und von wissenschaftlichen Instituten, die mit viel Geld vom deutschen Steuerzahler subventioniert werden“ sei hingegen „eine besondere Verantwortung verbunden“.

          „Alles andere als sachgerecht“

          Die Berechnung zu Griechenland sei „mal wieder ein Beispiel dafür, wie man dieser Verantwortung nicht sonderlich gut gerecht wird“, betonte Schäuble. Das Ifo-Institut habe Risiken gleichgesetzt mit Verlusten im Haushalt. „Das ist alles andere als sachgerecht“, fügte der Finanzminister an.

          Die Analyse des Münchener Ifo-Instituts hatte für Aufsehen gesorgt. Danach würde ein Verbleib Athens in der Euro-Zone Deutschland 89 Milliarden Euro kosten. Ein Austritt käme hingegen 7 Milliarden Euro billiger.

          Sinn: Mehr Kredite nur gegen Sicherheiten

          Ökonom Sinn ist einer der prominentesten Kritiker der Rettungspolitik der Bundesregierung. Seit langem schon sagtsinn er voraus, dass Griechenland nicht in der Währungsunion zu halten ist. Anfang des Monats startete er gemeinsam mit dem Dortmunder Statistik-Professor Walter Krämer einen Aufruf gegen die Vergemeinschaftung der Bankenschulden, dem sich mehr als 200 andere Professoren anschlossen und der die öffentliche Diskussion tagelang beherrschte. Auch stieß er eine breite Debatte über die Target-II-Salden an, also der Forderungen der deutschen Zentralbank gegenüber den Zentralbanken der Krisenländer Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien.

          An diesem Wochenende wiederum forderte Sinn die Bundesregierung auf, weitere Hilfen nur noch gegen Sicherheiten leisten. Die Ratingagentur Moody’s habe Finnlands Spitzenrating bestätigt, weil das Land sich für seine Rettungskredite Pfänder habe geben lassen, sagte Sinn der Düsseldorfer „Wirtschaftswoche“. „Das ist auch die Lösung für Deutschland“, erklärte er. Dass Moody’s den Ausblick für Deutschlands Bonität auf negativ abgestuft habe, sei absehbar gewesen. Deutschland habe sich immer mehr Haftungsrisiken aufgeladen.

          Der Chef des Ifo-Instituts warnte davor, auch noch Spanien und Italien unter den europäischen Rettungsschirm zu nehmen und sprach sich gegen weitere Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) aus.

          Warnungen an griechische Regierung

          Gegen weitere Rettungsmaßnahmen für Griechenland sprach sich auch der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Michael Meister aus. „Wir werden die Kreditvolumina nicht weiter ausdehnen. Ich wäre froh, wenn das in Griechenland verstanden wird“, sagte Meister der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Meister warf der griechischen Regierung Unfähigkeit vor: „Wenn man es nach 40 Jahren Demokratie nicht schafft, das eigene Land zu verwalten, ist das ein Armutszeugnis für die regierende Klasse“.

          Ähnlich äußerte sich FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms. Er sehe keine Mehrheit im Bundestag für ein drittes Rettungspaket, sagte Solms der „Wirtschaftswoche“. Wenn das Land seine Zusagen nicht erfülle, sehe er keine andere Möglichkeit, „als dass es die Euro-Zone verlässt und eine eigene Währung einführt, um durch eine schnelle Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zurückzugewinnen“.

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