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Euro-Austritt Griechenlands : Die Gemeinschaft wappnet sich für den Ernstfall

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Griechenland: Alles rennet, rettet, flüchtet ...

Griechenland: Alles rennet, rettet, flüchtet ... Bild: dapd

Rund vier Wochen vor der Neuwahl stellt die Übergangsregierung in Athen die Spar- und Strukturreformen ein. In der Notenbank arbeitet man bereits an Notfallplänen für den Fall, dass der Staat die Eurozone verlässt.

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          Angesichts einer immer klareren Verweigerungshaltung der griechischen Politik haben sich am Mittwoch die Vorbereitungen auf ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euroraum verdichtet. Dem Vernehmen nach prüfen Arbeitsgruppen in der Europäischen Zentralbank und in der Bundesbank Pläne für das Ausscheiden Griechenlands. Sprecher der EZB und Bundesbank wollten dies weder bestätigen noch kommentieren. Vor einigen Tagen hatte schon der EU-Handelskommissar Karel De Gucht berichtet, Dienststellen in der Europäischen Kommission und der EZB arbeiteten an Notfallplänen.

          Tobias Piller
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Vertreter der griechischen Regierung hingegen bestritten, dass es in der Euro-Zone eine Absprache zur Vorbereitung von Notfallplänen für einen Austritt des hoch verschuldeten Staates aus der Währungsunion gibt. „Solche Berichte sind nicht nur falsch, sie behindern auch die Anstrengungen der Hellenischen Republik, die Herausforderungen zu diesem kritischen Zeitpunkt anzugehen“, hieß es in einer Erklärung des Athener Finanzministeriums am Mittwoch.

          „Die Fortführung der Hilfen wird aufs Spiel gesetzt“

          Dass die Geduld mit Griechenland erschöpft ist, lässt sich indes auch im jüngsten Monatsbericht der Bundesbank nachlesen. Die Entwicklung in Griechenland sei in hohem Maße besorgniserregend, heißt es dort. Griechenland droht, die im Gegenzug zu den umfangreichen Hilfsprogrammen vereinbarten Reform- und Konsolidierungsmaßnahmen nicht umzusetzen. „Hiermit wird die Fortführung der Hilfen aufs Spiel gesetzt“, warnt die Bundesbank. Für den Euro- Raum und Deutschland seien die Herausforderungen in diesem Fall erheblich, „aber bei vorsichtigem Krisenmanagement beherrschbar“. Ein Aufweichen der getroffenen Vereinbarungen hingegen würde das Vertrauen in Vereinbarungen und Verträge in der Europäischen Gemeinschaft beschädigen. Das Eurosystem habe bei der umfangreichen Liquiditätsbereitstellung an Griechenland auf die Umsetzung der Programme vertraut und damit große Risiken übernommen. Nun dürfe man diese nicht noch mehr ausweiten.

          Über die Art und Weise einer weiteren finanziellen Unterstützung und die Übernahme der damit zusammenhängenden Risiken sollten die Parlamente und Regierungen der Mitgliedstaaten entscheiden. Damit rührt die Bundesbank am finanziellen Lebensnerv Griechenlands, denn ohne die Möglichkeit weiterer Schulden beim Eurosystem dürfte der griechischen Wirtschaft binnen Wochen das Geld ausgehen, denn das Land führt weiterhin mehr ein, als es ausführt. Zudem setzt sich die Kapitalflucht fort.

          Reformen eingestellt?

          Zugleich mehren sich die Anzeichen, dass die griechische Regierung die Erfüllung der mit den Hilfsprogrammen verbundenen Reformzusagen eingestellt hat. Als versuchter Rückschritt wurde zuletzt der Vorschlag des neuen Arbeitsministers Antonios Roupakiotis gewertet, die bereits vereinbarten Reformen für den Arbeitsmarkt und das System der Lohnverhandlungen bis nach den nächsten Wahlen auszusetzen. Bisher war vereinbart worden, im System der Lohnverhandlungen mehr Flexibilität einzuführen, um damit Löhne und Gehälter auch nach unten flexibel zu machen. Grund dafür ist die Einschätzung, dass in den vergangenen Jahren die griechischen Löhne so stark gewachsen sind, dass die Arbeitskräfte des Landes nicht mehr international konkurrenzfähig sind, weshalb bei den festen Wechselkursen des Euro eine nominale Reduzierung der Löhne notwendig sei.

          Daher wurde im „Memorandum“ vorgesehen, die Laufzeiten von Tarifverträgen auf maximal drei Jahre zu begrenzen und die automatischen Gehaltserhöhungen einzustellen, bis die Arbeitslosenquote auf weniger als 10 Prozent gesunken ist. Die Verhandlungsposition der Arbeitgeber wurde insgesamt verbessert. Zugleich wurde der Mindestlohn um 22 Prozent gesenkt, für Jugendliche um weitere 10 Prozent. Mit den Sozialpartnern sollte zudem bis Juli ein neues Verfahren für die Lohnverhandlungen vereinbart werden.

          Alle Reformen blockiert

          All das sollte nun bis nach den Wahlen ausgesetzt werden. Der Übergangspremier Panayiotis Pikrammenos wies jedoch seinen Minister in die Schranken und sagte, geltendes Recht müsse angewandt werden. Die Übergangsregierung dürfe ihre Kompetenzen nicht überschreiten.

          Dennoch sind wegen des Wahlkampfes und der Ablehnung des „Memorandums“ durch die öffentliche Meinung Griechenlands auch alle anderen Reformen blockiert. Im Vertragswerk wird festgelegt, dass Griechenland bis Mai eine mittelfristige Finanzplanung vorlegen muss, mit dem Ziel, bis 2014 einen Primärüberschuss von 4,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu erreichen, um ohne zusätzliche Verschuldung seine Zinsen zahlen zu können.

          Auch das Privatisierungsprogramm stockt. Dabei sollte Griechenland nach mehrmaligem Entgegenkommen seiner Vertragspartner 2012 nur einen Erlös von 3 Milliarden Euro erzielen. Doch auch diese relativ kleine Summe ist nun in Frage gestellt. Ähnliches gilt auch für die Bankenbranche, die nach den Abschreibungen für die Restrukturierung der griechischen Staatsschulden gegenüber privaten Institutionen mit 50 Milliarden Euro von EU und IMF rekapitalisiert werden sollte. Obwohl das Eigenkapital aller Banken negativ ist, wird die Sanierung vertagt.

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