EU-Reformen : Bundesregierung will Vetorecht für den Währungskommissar
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„Die Kanzlerin ist noch ein bisschen vorsichtiger als ich und deswegen ein bisschen erfolgreicher als ich“: Wolfgang Schäuble (rechts) Bild: dpa
Wie wird die EU umgebaut? Die Bundesregierung macht jetzt Vorschläge. Finanzminister Wolfgang Schäuble will die Rechte des Währungskommissars stärken - er soll in der Lage sein, die Haushalte der Mitgliedsstaaten abzulehnen und ans Parlament zurückzuverweisen. Die EU-Kommission ist nicht begeistert.
Die Bundesregierung wird auf dem Europäischen Rat weitergehende Reformen vorschlagen, um die Euro-Zone institutionell zu stärken. Wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf seinen Rückflug aus Asien mitreisenden Journalisten sagte, will man unter anderem die Rechte des Währungskommissars spürbar stärken.
Er soll künftig ohne Rücksicht auf die übrigen Kommissionsmitglieder die Prinzipien der Stabilitätsunion durchsetzen können - nicht zuletzt, indem er Korrekturen in den nationalen Haushalte erzwingen können soll, wenn die Defizite zu hoch auszufallen drohen. „Ich habe schon in der Euro-Gruppe gesagt, wir müssen den Währungskommissar stärken“, berichtete Schäuble. „Er muss den Haushalt zurückweisen können an das nationale Parlament.“
Am Donnerstag und Freitag werden die Staats- und Regierungschefs der EU erstmals über den Zwischenbericht der vier europäischen Präsidenten von Kommission, Rat, Euro-Gruppe und Zentralbank beraten, die Lehren aus der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum vorschlagen. Was sie vorgelegt haben, bleibt nach Schäubles Worten zu vage, geht nicht weit genug und setzt die falschen Schwerpunkte.
Neben der Stärkung der Durchgriffsrechte des Währungskommissars dringt die Bundesregierung auf mehr Mitsprache der Abgeordneten des Europa-Parlaments. Möglichst noch im Dezember soll nach ihren Vorstellungen ein Konvent zur Änderung der europäischen Verträge einberufen werden, um schnell zu Ergebnissen zu kommen, die das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung stärken.
„Wir müssen größere Schritte Richtung Fiskalunion machen“
Der Finanzminister will das Ringen um die nächste Hilfstranche für Griechenland nutzen, um auf dem Weg zu einer Fiskalunion vorwärts zu kommen. Je größer die Krise, desto größer seien die Chancen, meinte er. „Wir müssen jetzt größere Schritte in Richtung Fiskalunion machen.“ Nur so kann das Vertrauen der internationalen Anleger in den Euro nach Einschätzung des CDU-Politikers nachhaltig gestärkt werden.
Je weiter man auf dem Weg zur Fiskalunion komme, „um so weiter können wir beim gemeinsames Schuldenmanagement kommen“, warb er an die Adresse der höher verschuldeten Länder im Euro-Raum gerichtet, die auf Euro-Anleihen dringen, um in den Genuss niedriger Zinsen zu kommen - weil sie dann vom Vertrauen profitieren, dass die Anleger geringer verschuldeter Euro-Länder wie Deutschland entgegenbringen.
„Ein Währungskommissar, der respektiert und gefürchtet wird“
Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört für Schäuble die institutionelle Stärkung des Währungskommissars. „Er muss weltweit so anerkannt sein wie der Wettbewerbskommissar, der respektiert und gefürchtet wird.“ Dazu sollte er allein in den Fragen zu den Defiziten entscheiden können. „Er muss einen Haushalt zurückweisen können, sowohl nach der Aufstellung als auch nach seiner Verabschiedung.“
Der Minister gestand zu, dass es dagegen Bedenken geben dürfte, weil dies als ein Eingriff in das nationale Budgetrecht gewertet werden könnte. Er selbst glaube dies nicht. Ziel der Initiative ist es auch, mögliche Reibungsverluste im Kollegium der Kommissare etwa vor einer neuen Eskalationsstufe in einem Defizitverfahren zu verhindern.
„Wir müssen das Parlament von Anfang an stärker beteiligen“
Der Währungskommissar soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung nicht über einzelne Maßnahme entscheiden können, etwa eine Rentensteigerung verhindern oder eine Steuererhöhung erzwingen können, sondern nur auf den zu erwartenden Saldo Einfluss nehmen, wenn dieser nicht zu den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakt passt. Die Bundesregierung dringt außerdem auf ein „flexibles Stimmrecht“ im Europa-Parlament, wie der Minister weiter berichtete.
„Im Europa-Parlament sollen immer nur die Abgeordneten der Länder abstimmen, die von einer Entscheidung betroffen sind, zum Beispiel die Eurozone oder der Schengen-Raum.“ So will man dem Vorwurf demokratischer Defizite bei wichtigen Entscheidungen im Euro-Raum begegnen. „Wir müssen das Parlament von Anfang an stärker beteiligen“, mahnte Schäuble.
„Das habe ich mit dem Kanzleramt abgestimmt“
Nach seinen Worten sollte noch im Dezember der Startschuss für die Schritte auf dem Weg zur Fiskalunion ausgelöst werden. Man brauche einen gut vorbereiteten Konvent, „inhaltlich vorbesprochen und mit einem engen Zeitrahmen“. Von den zunehmend europakritischen Briten will der CDU-Politiker sich nicht ausbremsen lassen, wenn sie nicht mitzögen, müsse man die notwendigen Reformen notfalls wie beim Fiskalvertrag mit einem speziellen Vertrag durchsetzen, den die willigen EU-Länder dazu miteinander abschließen.
Wie Schäuble deutlich machte, decken sich seine Vorstellungen mit der von Angela Merkel (ebenfalls CDU). „Die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister sind immer auf einer Linie“, sagte er grundsätzlich. Mit Blick auf die aktuelle Reformüberlegungen hob er hervor: „Wenn ich etwas vorschlage, können sie davon ausgehen, dass ich das mit dem Kanzleramt abgestimmt habe.“
Der bekennende Europäer dürfte weiter gehen als Merkel
Wie er berichtete, hat er vergangene Woche die Überlegungen der Bundesregierung erstmals im Kreis einer europäischen Kollegen diskutiert: „Ich habe es in die Euro-Gruppe nicht ohne Abstimmung mit dem Kanzleramt gebracht.“ Doch dürfte der bekennende Europäer in machen Aspekten etwas weiter gehen als Merkel. So sagte er selbst: „Die Kanzlerin ist noch ein bisschen vorsichtiger als ich und deswegen ein bisschen erfolgreicher als ich.“
Die EU-Kommission reagierte zurückhaltend auf Schäubles Vorstoß, den Posten des Brüsseler Währungskommissars zu stärken. „Wir haben bereits einen Super-Kommissar, der ein Super-Vizepräsident ist, er heißt Olli Rehn“, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Dienstag in Brüssel. Der Finne Rehn ist EU-Währungskommissar und gleichzeitig einer von Barrosos Stellvertretern.