Energieintensive Branchen wie die Glasindustrie leiden schon heute unter den hohen Energiepreisen. Bild: dpa
Das wichtige Ifo-Stimmungsbarometer ist im Juli um 3,6 Punkte abgesackt – ein weiteres Warnsignal. Hohe Energiepreise und die drohende Gasknappheit beunruhigen die Unternehmenslenker.
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Die Zeichen einer drohenden Rezession mehren sich. Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im Juli deutlich verschlechtert, wie der am Montag veröffentlichte Geschäftsklimaindex des Münchner Ifo-Instituts zeigt. Das Barometer, das auf einer monatlichen Umfrage unter rund 9000 Unternehmen beruht und als wichtigster Frühindikator für die deutsche Konjunktur gilt, fiel auf 88,6 Punkte, nach 92,2 Zählern im Juni.
Das ist der niedrigste Wert seit Juli 2020. „Hohe Energiepreise und drohende Gasknappheit belasten die Konjunktur“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession.“
Der Pessimismus zog sich durch alle Branchen. Die Unternehmen waren nicht nur weniger zufrieden mit ihrer aktuellen Geschäftslage, sie erwarteten auch in den kommenden Monaten „erheblich schlechtere Geschäfte“. Die Industrieunternehmen blickten so sorgenvoll in die Zukunft wie zuletzt im April 2020, kurz nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Selbst im Dienstleistungssektor, wo zuletzt insbesondere im Gastgewerbe und in der Tourismusbranche noch Zuversicht herrschte, brachen die Erwartungen im Juli ein.
„Vor allem die Furcht vor einem anhaltenden Gaslieferstopp im Zusammenhang mit der Wartung von Nord Stream 1 dürfte zum Umfragezeitpunkt bei vielen Unternehmen die Geschäftsaussichten eingetrübt haben“, kommentierte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Der vollständige Lieferstopp sei zunächst zwar ausgeblieben, aber die Unsicherheit über die Energieversorgung bleibe trotzdem „gewaltig“.
Vielfältige Belastungen für die Wirtschaft
Zudem ließen die hohen Preise die Nachfrage nach Gütern wie nach Dienstleistungen zurückgehen, sagte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Die Unternehmen schränkten das Angebot ein, weil Transportprobleme und Inflation die Produktion unkalkulierbar machten. „Die deutsche Wirtschaft steht mindestens vor einer Phase der Stagnation, wenn nicht sogar Schrumpfung“, warnte Kater.
Zuletzt hatte auch die Bundesbank ihre Erwartungen an die Entwicklung der Leistung der deutschen Wirtschaft, das heißt an die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), gesenkt. „Im laufenden Quartal dürfte der BIP-Zuwachs aus heutiger Sicht wohl etwas schwächer ausfallen als im Basisszenario der Bundesbank-Projektion vom Juni 2022 erwartet“, heißt in dem am Freitag veröffentlichten Monatsbericht Juli der Notenbank.
Im vergangenen zweiten Quartal wiederum dürfte die deutsche Wirtschaftsleistung nach Einschätzung der Notenbanker „in etwa stagniert haben“. Im Juni-Bericht war die Bundesbank noch davon ausgegangen, dass das BIP trotz des schwierigen Umfelds im zweiten Quartal „leicht zulegen“ würde.
Der Ifo-Index ist nicht der erste Indikator, der auf einen Abschwung hindeutet. Auch der am Freitag veröffentlichte Einkaufsmanagerindex von S&P Global für Deutschland sank um 3,3 Punkte auf 48 Zähler und rutschte damit unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten und auf den tiefsten Wert seit mehr als zwei Jahren.
Abwärtstrend auch im Euroraum
„Nach einem Aufwärtsschub, ausgelöst durch die Lockerungen der Corona-Restriktionen, hat der Gegenwind gleich aus mehreren Richtungen dafür gesorgt, dass die deutsche Wirtschaft im Juli erstmals in diesem Jahr wieder Wachstumseinbußen zu verzeichnen hatte“, sagte S&P-Global-Ökonom Paul Smith. Die anhaltenden Lieferverzögerungen, die durch den Krieg in der Ukraine verursachte Unsicherheit und die Inflation samt negativer Auswirkungen auf die Ausgabenbereitschaft der Kunden seien dafür verantwortlich, so Smith.
Auch das Barometer für den Euroraum insgesamt konnte sich nicht über der Marke von 50 Punkten halten und sackte um 2,6 Punkte auf 49,6 Zähler ab. S&P-Global-Chefvolkswirt Chris Williamson erwartet daher für das dritte Quartal einen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Euroraum um 0,1 Prozent. „Auch wenn der Rückgang derzeit noch bescheiden ausfällt, deuten die stark rückläufigen Neuaufträge, sinkende Auftragsbestände und die sich eintrübenden Geschäftsaussichten darauf hin, dass sich der Abwärtstrend im Laufe des Sommers weiter beschleunigen wird“, sagte er.
So sehen es auch andere Ökonomen. „Die gesamtwirtschaftliche Aktivität in Euroland ist vermutlich im zweiten Quartal in den Stagnationsbereich gefallen und die Einkaufsmanagerindizes zum Auftakt des dritten Quartals deuten vor dem Hintergrund der bestehenden Probleme sogar eher auf eine Verschlechterung hin“, kommentierte Dekabank-Volkswirt Christian Melzer. Ähnlich äußerte sich Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der liechtensteinischen VP Bank. „Die Rezession rauscht an. Was zu viel ist, ist zu viel“, sagte er.