Zahlungssystem Target : Fast 1000 Milliarden Euro
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Hat die Europäische Zentralbank im Frankfurter Osten die Risiken im Blick? Bild: Marc-Steffen Unger
Der Target-Saldo der Bundesbank ist so gewaltig, dass er große Aufmerksamkeit verlangt. Wie ist diese Zahl zu bewerten? Geht es um echte Risiken für Deutschland? Ein Gastbeitrag.
Der deutsche Target-Saldo ist eine bilanzielle Forderung der Bundesbank gegen das Eurosystem. Diese Forderung entstand, weil die Bundesbank im Auftrag anderer Notenbanken Geld geschaffen und es nach den Wünschen der ausländischen Auftraggeber für den Kauf von Gütern und Vermögenswerten, für die Schuldentilgung sowie auch für den Aufbau von Kassenbeständen in Deutschland bereitgestellt hat, während die anderen Zentralbanken im gleichen Umfang Geld eingezogen haben. Es handelt sich um einen öffentlichen Überziehungskredit zwischen den Notenbanken, weil es anderen Volkswirtschaften des Euroraums ermöglicht wurde, ohne private Auslandskredite aufzunehmen, einen Nettozustrom von deutschen Waren, Dienstleistungen und Vermögenstiteln zu bezahlen. Der von der Bundesbank vergebene Target-Kredit wird in Höhe des Hauptrefinanzierungssatzes der EZB (Beschluss EZB 2007 NP10) zu Lasten der Schuldner-Notenbanken verzinst, der freilich zurzeit null ist.
Der Kredit war nur möglich, weil die Zentralbanken der Auftrag gebenden Länder bereit und in der Lage waren, das bei der Überweisung eingezogene Geld durch neue Geldschöpfungskredite an ihre jeweiligen Bankensysteme zu ersetzen, also insgesamt mehr von solchen Krediten zu vergeben, als es gemäß der Landesgröße zur Liquiditätsversorgung der eigenen Wirtschaft nötig gewesen wäre. Andernfalls wäre die Wirtschaft durch die Nettoüberweisungen sehr schnell ausgetrocknet.
Der Target-Überziehungskredit wird in der Zahlungsbilanzstatistik als Teil des Auslandsvermögens der Bundesrepublik Deutschland verbucht, das aus der Summe früherer Leistungsbilanzüberschüsse gebildet wurde. Das Nettoauslandsvermögen der Bundesrepublik ist mit einem Wert von 1929 Milliarden Euro Ende 2017 nach Japan das größte der Welt. Die Target-Kreditforderungen der Bundesbank zur Jahresmitte 2018 machten davon 51 Prozent aus.
Überweisungen zwischen Ländern müssen, wie die privaten Clearing-Systeme Londons zeigen, nicht zwangsläufig über Zentralbanken laufen. Auch private Banken können einander grenzüberschreitend Zahlungsaufträge geben und insofern Kreditverhältnisse aufbauen, um damit den Güterhandel und Kapitalverkehr zu ermöglichen. Dafür wird in keinem Land Zentralbankgeld eingezogen oder neu in Umlauf gebracht, und auch die Target-Salden verändern sich nicht. Überweisungen außerhalb des Target-Systems implizieren private Kredite zwischen den Bankensystemen, und Überweisungen über das Target-System öffentliche Kredite. Die beiden Kreditformen unterscheiden sich dadurch, dass das Kreditausfallrisiko das eine Mal beim Steuerzahler und das andere Mal beim Bankaktionär liegt, aber sie zählen gleichermaßen zur Nettoauslandsschuld oder zum Nettoauslandsvermögen der jeweiligen Länder. Sie sind zusammen mit anderen privaten und öffentlichen Kapitalflüssen das Spiegelbild der Leistungsbilanzsalden.