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Corona-Krise : Kabinett beschließt Hilfspakete über Hunderte Milliarden Euro

  • Aktualisiert am

Finanzminister Olaf Scholz am Montag in Berlin Bild: Reuters

Um Arbeitsplätze und Unternehmen in der Corona-Krise zu retten, hat das Bundeskabinett mehrere Hilfspakete in beispielloser Höhe beschlossen. Mieter sollen entlastet, Hartz-IV-Anträge erleichtert und Kliniken unterstützt werden. Und das ist längst nicht alles.

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          Das Bundeskabinett hat in einer Sondersitzung am Montag Nothilfen im Umfang von mehreren hundert Milliarden Euro gebilligt, um die Folgen der Corona-Krise abzumildern. Die Ministerrunde brachte unter anderem einen Nachtragshaushalt auf den Weg, um die Hilfsmaßnahmen mit einer Neuverschuldung in Höhe von rund 156 Milliarden Euro zu finanzieren. Das in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose Maßnahmenpaket soll Bürger und Unternehmen vor dem Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz durch die Krise bewahren.

          Das Finanzvolumen der Hilfsmaßnahmen hat enorme Dimensionen. Allein der geplante „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ (WSF) soll mit 600 Milliarden Euro ausgestattet werden. Er
          enthält Kreditgarantien von 400 Milliarden Euro, damit Unternehmen in der Krise weiteren Zugang zu Kapital bekommen. Weitere 100 Milliarden Euro stehen bereit, damit sich der Bund notfalls direkt an Unternehmen beteiligen kann. Zusätzliche 100 Milliarden Euro soll der WSF der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an Krediten bereitstellen.

          Kleine Firmen und Solo-Selbständige sollen über drei Monate direkte Zuschüsse von bis zu 15.000 Euro bekommen. Dafür ist ein weiteres Hilfspaket von bis zu 50 Milliarden Euro vorgesehen.

          Von weiteren Hilfsmaßnahmen sollen Bürger profitieren, die durch die Krise in eine Notlage geraten. Vermieter dürfen ihren Mietern vorerst nicht mehr kündigen, wenn diese wegen der Corona-Krise ihre Miete nicht zahlen können. Bei Anträgen auf Hartz IV sollen die Vermögensprüfungen ausgesetzt werden und es soll für ein halbes Jahr nicht interessieren, ob die Miete vielleicht zu hoch ist. Außerdem sollen Familien mit Einkommenseinbrüchen leichter Kinderzuschlag bekommen.

          Mit erweiterten Regelungen zur Kurzarbeit sollen Unternehmen in die Lage versetzt werden, Beschäftigte zu halten, statt sie in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Das Kabinett beschloss zudem, dass das Insolvenzrecht gelockert wird und dass Unternehmen wie Vereine ihre Haupt- und Jahresversammlungen auch online abhalten dürfen.

          Zudem machte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach der Kabinettssitzung abermals deutlich, dass der Staat in der Corona-Krise notfalls auch Firmen teilweise oder ganz übernehmen werde. Man lege es nicht darauf an, „aber unser Land muss sich schützen können“. Durch diese Pandemie dürften die Wirtschaftsstrukturen in Deutschland nicht nachhaltig beschädigt werden, sagte Altmaier.

          Altmaier erläuterte weiter, wenn Unternehmen größere Bedeutung für das Land hätten, verfüge die Regierung über den geeigneten Instrumentenkasten. Allerdings werde die Bundesregierung sehr sorgfältig damit umgehen. Man wolle so wenig wie möglich eingreifen, aber „im Bedarfsfalle auch handeln“.

          Bund erhält mehr Kompetenz beim Seuchenschutz

          Deutschlands Krankenhäuser werden mit mehr als drei Milliarden Euro unterstützt. Das Infektionsschutzgesetz soll geändert werden, um dem Bund mehr Kompetenzen im Kampf gegen Pandemien einzuräumen. Auch für das Justizwesen gibt es neue Krisenregelungen: Damit wegen der Corona-Krise keine Strafprozesse platzen müssen, können sie länger als bisher unterbrochen werden.

          Zur Finanzierung der Hilfspakete will die Bundesregierung die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aussetzen; dafür soll die Notfallregel Anwendung finden. Mit dem Kabinettsbeschluss findet die jahrelang betriebene Politik der „schwarzen Null“ ein jähes Ende: Seit 2014 war der Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung ausgekommen.

          Die Beschlüsse des Kabinetts müssen noch vom Parlament gebilligt werden. Dies soll in Bundestag und Bundesrat noch diese Woche im Eilverfahren geschehen.

          Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) leitete die Kabinettssitzung von zu Hause aus, sie wurde telefonisch zugeschaltet. Merkel hatte sich am Sonntagabend in häusliche Quarantäne begeben, weil sie Kontakt zu einem mit dem Coronavirus infizierten Arzt hatte. Im Kanzleramt anwesend waren nach Angaben aus Regierungskreisen alle Ressorts – vertreten entweder durch die jeweiligen Minister oder durch Staatssekretäre. Die Sitzung fand wegen der Abstandsregeln im großen Saal des Kanzleramts statt.

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