Anleiheankäufe der EZB : Banken freuen sich auf Geldschwemme
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Vor der EZB in Frankfurt Bild: AFP
Die EZB soll für 550 Milliarden Euro Anleihen aufkaufen. Ökonomen fordern gar 1000 Milliarden Euro. Politiker warnen vor einem „Teufelskreis des billigen Geldes“. Auch deutsche Unternehmen sind skeptisch.
Kurz vor der Entscheidung der Europäischen Zentralbank ist die Spannung an den Finanzmärkten mit Händen greifbar. Bankanalysten erwarten ein großes Anleihekaufprogramm. Im Durchschnitt prognostizieren sie ein Kaufvolumen von 550 Milliarden Euro, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg unter Analysten. Die Aussicht auf die Geldschwemme trieb den Aktienindex Dax am Montag auf einen neuen Rekord von 10293 Punkten. Schwach ist hingegen der Eurowechselkurs. Er bewegte sich mit 1,16 Dollar nur knapp über dem vergangene Woche erreichten 11-Jahres-Tief.
Durch die erwartete Lockerung der Geldpolitik mit dem Anleihekauf (Quantitative Easing) wird der Außenwert des Euro gedrückt. Die EZB verfolgt mit dem umstrittenen Programm nach eigenen Angaben das Ziel, die geringe Inflationsrate anzuheben, die mit zuletzt minus 0,2 Prozent deutlich unter dem EZB-Zielwert von mittelfristig knapp 2 Prozent liegt. Am Donnerstag wird der Zentralbankrat in Frankfurt entscheiden.
Bei einer Umfrage dieser Zeitung unter Ökonomen und Bankvolkswirten kam eine große Spanne an Erwartungen zutage. „Wir erwarten ein Kaufprogramm von im Minimum 500 Milliarden“, sagte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau dieser Zeitung. Einige gingen aber weit darüber hinaus. Der Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert gab 700 Milliarden an.
„Ich erwarte, dass die EZB versuchen wird, die Märkte positiv zu überraschen, und dass das Programm als flexible Zielgröße 1000 Milliarden Euro haben wird“, sagte Marcel Fratzscher, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der früher selbst bei der EZB tätig war. Er zählt zu den wenigen bekannten Ökonomen in Deutschland, die den Staatsanleihekauf stark befürworten. Nur mit Käufen von bis zu 1000 Milliarden Euro könnte die EZB ihr selbstgestecktes Bilanzziel von gut 3 Billionen Euro erreichen und die Inflationserwartungen stabilisieren, sagte Fratzscher.
Zugleich kritisierte er Überlegungen, dass die EZB die Papiere nicht auf Gemeinschaftsrechnung kaufe, sondern dass die einzelnen Notenbanken getrennt kauften und damit die Gemeinschaftshaftung begrenzt werde. Nach Informationen dieser Zeitung sind in der EZB derzeit verschiedene Modelle im Gespräch. Nach einer Option könnte die EZB 50 Prozent der Käufe tätigen, für die dann gemeinschaftlich gehaftet würde, die anderen 50 Prozent sollten die 19 Notenbanken des Euroraums getrennt tätigen.
Mit dem Vorschlag einer nur Teil-Gemeinschaftshaftung hofft EZB-Chef Mario Draghi die Zweifler im Zentralbankrat und den Notenbanken sowie die Öffentlichkeit in Mittel- und Nordeuropa zu besänftigen. Die Bundesbank bleibt bei ihrer Haltung, dass ein Anleihekaufprogramm geldpolitisch nicht nötig sei; zudem sieht sie Probleme, da der Staatsanleihenkauf einer verbotenen monetären Staatsfinanzierung gleichkomme.
Hans-Werner Sinn hält das Deflationsargument für vorgeschoben
Der Präsident des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn hält das Deflationsargument für vorgeschoben. Tatsächlich wolle die EZB mit dem Wertpapierkauf angeschlagene Banken retten. „Dahinter steckt der Wunsch, die Banken Südeuropas zu entlasten, die sich vollgestopft haben mit toxischen Staatspapieren“, sagte Sinn im Deutschlandfunk. Ähnlich äußerte sich der Finanzwissenschaftler Jörg Rocholl: Riskante Anleihen würden nun von den Banken auf die Notenbanken übertragen. Auch wenn dies den gewünschten Erfolg habe, die Banken zu sanieren, „kommt es den Steuerzahler teuer zu stehen und setzt völlig falsche Anreize“.