Euro-Regeln : Schuldenerlass: Geht das denn?
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Griechische Flaggen bei einer Demonstration am Donnerstag vor dem Parlament in Athen. Bild: dpa
Schuldenschnitt für Griechenland: Das geht nur außerhalb des Euro. So sagt es Finanzminister Schäuble und zitiert dafür den EU-Vertrag. Doch was steht dort genau?
Der Zeitpunkt ist pikant. Einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag über die Aufnahme von Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket zugunsten Griechenlands bringt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abermals den Grexit auf Zeit ins Spiel. Er verweist auf den zusätzlichen Finanzbedarf des Landes, der auf mehr als 80 Milliarden Euro geschätzt wird. Im Deutschlandfunk warf er am Donnerstag die Frage auf: „Kann man einen Finanzierungsbedarf in einer Größenordnung, wie er jetzt genannt wird – und das sind ja wahrscheinlich eher noch die vorsichtigen Schätzungen – ohne einen wirklichen Schuldenschnitt bewältigen?“
Doch ein sogenannter „Haircut“ ist nach seinen Worten nicht mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion vereinbar. „Das ist die Situation. Aber wir werden Verhandlungen aufnehmen, wir werden uns alle Mühe geben, aber an die rechtlichen Regelungen müssen wir uns halten.“
Finanzkrise : Schäuble verteidigt Option des "Grexit auf Zeit"
Hinter Schäubles mahnenden Worten stehen sicher taktische Überlegungen, aber auch ernsthafte Zweifel, ob man mit Alexis Tsipras über Jahre hinweg die harten Reformen durchsetzen kann, die notwendig sind, damit das Land sich am Ende wieder selbst finanzieren kann. Wenn das nicht funktionieren sollte, läuft es eben doch auf einen Schuldenschnitt hinaus, der – wie der Just nicht müde wird zu betonen – gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt. Konkret stellt er auf Artikel 125 Absatz 1 ab, der es der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten verbietet, Schuldenlasten eines anderen Mitgliedstaates zu schultern („Nichtbeistandsklausel“) – übrigens der ganzen EU, unabhängig von der Währungsunion.
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Mehr erfahrenWas heißt das konkret? Für die Auslegung blickt der Finanzministers auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. In dem sogenannten Pringle-Urteil hat dieser festgestellt, dass es Union und Mitgliedstaaten nur dann erlaubt ist, einem anderen Mitgliedstaat Finanzhilfe zu leisten, wenn hieran strenge Auflagen geknüpft sind, die den Empfängermitgliedstaat zur Verfolgung einer soliden Haushaltspolitik veranlassen sollen.
Doch nach einem echten Schuldenschnitt, für den sich der Internationale Währungsfonds zunehmend einsetzt, wäre die Regierung aus extremen linken und rechten Parteien in Athen kaum noch dazu zu bewegen, die strengen Auflagen des Nothilfeprogramms zu beachten. Zudem geht der EuGH davon aus, dass der Empfängerstaat trotz der Finanzhilfe für die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern haftbar bleibt und die EU und die anderen Mitgliedstaaten diese nicht übernehmen.
Der Zeitplan für Griechenland
Freitag, 17. Juli
Auch das österreichische Parlament kommt trotz Sommerpause am Freitag zu einer Sondersitzung zusammen. Ein Ausschuss hat schon grünes Licht gegeben.
Griechische T-Bills, das sind Anleihen mit kurzfristiger Laufzeit, in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.
Montag, 20. Juli
Außerdem muss Athen insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte die Europäische Zentralbank laut Experten kaum in der Lage sein, weiter Ela-Kredite an griechische Banken zu ermöglichen.
Mittwoch, 22. Juli
Während Schäuble Vertrag und Urteil eng auslegt, sind die Regierungen in Paris und Rom hier offenbar etwas großzügiger. Schäuble lehnt nicht nur einen echten Schuldenschnitt in der Währungsunion ab, sondern auch Schuldenstreckungen und weitere Zinsentlastungen, wenn diese den Barwert der griechischen Staatsschuld spürbar senken. Dies würde wie ein Schuldenschnitt wirken, lautet das Argument. Allerdings hat dies die Bundesregierung das letzte Mal nicht davon abgehalten, einer solchen Aktion zuzustimmen. Das lässt erahnen, dass der Spielraum der Politiker größer ist, als Schäuble nun wahrhaben möchte.
Unabhängig von der Nichtbeistandsklausel bleibt es einzelnen Mitgliedstaaten vermutlich unbenommen, Schecks nach Athen zu schicken. Wie der deutsche Minister nach den Verhandlungen vom Wochenende in Brüssel berichtet hat, gab es allerdings keinen Andrang von Kollegen, die Griechenland Geld für die Brückenfinanzierung geben wollten, die notwendig ist, um das Land in den Sommermonaten zu finanzieren, bis die Verhandlungen über das dritte Hilfsprogramm abgeschlossen sein werden. Schenkungen wären nach dem europäischen Recht sicherlich möglich. Aber daran denkt offenbar niemand, nicht einmal bilaterale Kredite wollte irgendein Mitgliedstaat Griechenland noch geben.
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Die Nichtbeistandsklausel im Volltext
Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens.
(Artikel 125, Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union)