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„Alternative für Deutschland“ : Eine bürgerliche Graswurzelbewegung gegen den Euro

Parteigründer Bernd Lucke Bild: REUTERS

Der erste öffentliche Auftritt der „Alternative für „Deutschland“ zieht 1200 Interessenten an. Mit ihrer Kritik treffen VWL-Professoren einen Nerv des unzufriedenen Bürgertums.

          4 Min.

          Bevor die Massen in die graue Stadthalle strömen, geben die Parteigründer eine Pressekonferenz. Für eine Partei, die erst seit knapp einer Woche eine Internetseite hat, ist das Interesse riesig. Etwa zwei Dutzend Journalisten wollen etwas über die neue Partei mit dem Namen „Alternative für Deutschland“ wissen. Vor der Tür filmt ein italienisches Kamerateam. Im holzvertäfelten Saal drehen weitere TV-Teams, Radioreporter halten Bernd Lucke ihre Aufnahmegeräte unter die Nase. Der schlanke VWL-Professor aus Hamburg, der trotz seiner 50 Jahre noch ein ganz jungenhaftes Gesicht mit spitzem Lächeln hat, beantwortet geduldig die Fragen.

          Philip Plickert
          Wirtschaftskorrespondent mit Sitz in London.

          Schade seine Partei nicht dem Europagedanken? „Durch Europa geht ein Graben“, sagt er. Daran sei aber der Euro schuld. Die Gemeinschaftswährung sei kein Friedensbringer, sondern ein „Spaltpilz“. In Südeuropa ruiniere er die Wirtschaft, weil die nicht wettbewerbsfähigen Länder nicht abwerten können. Dem Norden, vor allem Deutschland, würden ungeheure Haftungsrisiken für die Milliarden-Kreditprogramme aufgebürdet. „Zu dieser Währungs- und Europa-Politik gebe es keine Alternative, sagen Regierung und Opposition, die bedauerlicherweise in dieser Frage eine einheitliche Politik machen. Doch, es gibt immer eine Alternative“, meint Lucke, nämlich die Auflösung des Euro und die Rückkehr zu nationalen Währungen oder kleineren Währungsverbünden.

          1200 Zuhörer kamen am Montagabend nach Oberursel bei Frankfurt.
          1200 Zuhörer kamen am Montagabend nach Oberursel bei Frankfurt. : Bild: REUTERS

          Der Feuilletonjournalist Konrad Adam, Mitgründer der Partei, attackiert die angeblichen Alternativlosigkeit. „Wir halten Alternativlosigkeit für falsch und gefährlich, weil es uns als Wähler entmündigt.“ Und der ehemalige Leiter der hessischen Staatskanzlei, Alexander Gauland, der nach vielen Jahren wie Lucke die CDU verlassen hat, kritisiert: „Mit der Phrase der Euro-Schicksalsgemeinschaft wird versucht, eine nicht funktionierende Währung zu überhöhen.“

          So jung und klein die Partei ist, Lucke gibt sich erstaunlich selbstbewusst. „Verträge sind einzuhalten, aber wir müssen ein Austrittsrecht in die EU-Verträge aufnehmen.“ Dies wolle er „mit den europäischen Partnern aushandeln“. Natürlich sei „unbestreitbar, dass es wirtschaftliche Verwerfungen geben wird, wenn der Euro aufgelöst wird, das kann teuer werden“. Man müsse über eine „solidarische Lastenverteilung zwischen den Partnern“ reden. Wenn Europas Spitzenpolitiker „engstirnig am Euro festhalten, dann wird es dazu führen, dass die Ungleichgewichte immer mehr zunehmen und der Euro ungeordnet auseinanderbricht“. Dann sei auch der Binnenmarkt gefährdet, wenn einige Länder wieder Zollschranken hochzögen. „Das ist weit schlimmer als ein geordneter Euro-Ausstieg“, meint Lucke. Er spricht ganz ruhig und mit hanseatischer Höflichkeit – obwohl er eigentlich unglaubliches formuliert.

          Die Euro-Rettungsschirme sind nicht alternativlos, sagt Parteimitbegründer Konrad Adam.
          Die Euro-Rettungsschirme sind nicht alternativlos, sagt Parteimitbegründer Konrad Adam. : Bild: REUTERS

          Sein Professorenkollege Joachim Starbatty assistiert mit mehr Temperament. Der Euro-Austritt mache nur die Kosten der schon aufgelaufenen Verschuldung sichtbar. Es würden mit der Euro-Rettung keine Länder gerettet, sondern nur die Banken. Seit sechs Jahren liege Griechenland in der Rezession, seit drei Jahren Spanien und Italien. „Wir müssen weg von der Bankenrettung hin zur Länderrettung“. Und ein Euro-Ende mit Abwertung sei dafür der einzige Weg. Ob eine Aufwertung der deutschen Währung dann nicht dem Export schade, bohrt eine Journalistin vom „Wall Street Journal“ nach. Eine Aufwertung sei nicht weiter schlimm, findet Starbatty. „Deutschland war immer ein Aufwertungsland.“ Nach dem Krieg zahlte man für einen Dollar genau 4,2 Mark, zuletzt war der Kurs auf 1,3 Mark gesunken.

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