
Schulstart mit Corona : Fordert die Lehrer!
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Unterricht mit Masken: Wie kann das Schuljahr trotz Corona gelingen? Bild: dpa
Die ersten Schulen schließen schon wieder. Heimaufgaben nun wieder massenhaft nicht zu korrigieren, wäre inakzeptabel. Die Lehrer sollten besser unterstützt, aber auch mehr gefordert werden.
Deutschland ist bisher zwar nicht pannenfrei, aber im Vergleich zu manch anderem Land ganz gut durch die Corona-Krise gekommen. Ein großer Makel ist in der vorläufigen Pandemiebilanz allerdings unübersehbar: Der Ausnahmezustand der vergangenen Monate hat die Schwächen des deutschen Bildungssystems schonungslos offengelegt.
Eine Elternbefragung des Münchner Ifo-Instituts kommt zu alarmierenden Ergebnissen. Während der Pandemie hat sich demnach die Zeit, in der sich Kinder und Jugendliche mit Schule beschäftigten, auf durchschnittlich 3,6 Stunden am Tag halbiert.
Die Unterrichtsqualität war fragwürdig: Mit Abstand häufigste Lernaktivität war das Bearbeiten von Aufgabenblättern. Wie die Schüler diese bearbeiteten, das kontrollierten viele Lehrer nur sporadisch oder überhaupt nicht. Nur einer von 20 Schülern in Deutschland kam in den Genuss von täglichem gemeinsamem Unterricht zum Beispiel per Video- oder Telefonkonferenz.
Neues Schuljahr mit eingeschränkter Normalität
Jetzt hat in den ersten Bundesländern das neue Schuljahr begonnen, und die Kultusminister setzen auf die Rückkehr zu einer eingeschränkten Normalität. Nachdem Kinder und Jugendliche monatelang großteils daheim waren, kehren sie Vollzeit in die Klassenzimmer zurück. Das ist erst einmal gut, denn auch der ausgefeilteste Fernunterricht kann die direkte Interaktion im Klassenzimmer nicht ersetzen.
Doch kaum sind die Schulen offen, schließen die ersten schon wieder. Wenn auch nur ein Schüler oder Lehrer sich außerhalb der Schule infiziert hat, werden halbe Schulen sicherheitshalber in Quarantäne geschickt. Falls sich eines Tages herausstellt, dass sich in der Schule auch noch jemand angesteckt hat, steht der schulische Regelbetrieb allgemein schon wieder vor einer unsicheren Zukunft.
Zu befürchten ist leider, dass der Heimunterricht dann ähnlich unbefriedigend ist wie während der Schulschließungen im Frühjahr. Es gibt, vorsichtig gesagt, kaum Anzeichen dafür, dass Kultusministerien und Schulen die Sommermonate genutzt haben, um durch organisatorische Vorbereitungen die mangelhafte Qualität des Fernunterrichts deutlich zu verbessern.
Natürlich ist es eine große Aufgabe, für Millionen von Schülern den Unterricht daheim zu organisieren. Aber ein Ding der Unmöglichkeit sollte es nach fünf Monaten auch nicht mehr sein. An den Hochschulen des Landes etwa scheint die Umstellung deutlich besser funktioniert zu haben als anderswo im Bildungssystem. Förderprojekte für benachteiligte Kinder zeigen seit Jahren, dass bereits im Grundschulalter mit dem Tablet in der Hand erfolgreiches digitales Lernen möglich ist. Am Geld fehlt es ebenfalls nicht: Im Fördertopf „Digitalpakt Schule“ liegen Milliarden bereit, die im ersten Jahr aber nur schleppend abgerufen worden sind.
Im pädagogischen Ausnahmezustand der vergangenen Monate hieß es oft, es hänge eben viel vom individuellen Engagement der Lehrer ab. Eltern und Schüler haben in diesem Frühjahr erfahren, dass es da große Unterschiede gibt – etwa zwischen der engagierten Referendarin, die im Zweifel von der Schulleitung ausgebremst wird, und anderen Lehrkräften, die nur ein Minimalprogramm fahren. Eine unrühmliche Rolle spielen die Lehrergewerkschaften mit ihrem ausufernden Bedenken, was jetzt alles nicht machbar sei.
Es geht nicht darum, pauschales Lehrer-Bashing zu betreiben. Aber dass beispielsweise an die Schüler ausgegebene Heimaufgaben massenhaft nicht korrigiert werden, ist nicht akzeptabel. Die Lehrer sollten von den Kultusministerien durch zupackendes Krisenmanagement besser unterstützt, aber auch durch klare Vorgaben mehr gefordert werden.
„Bei ganz vielen Beispielen, die ich kenne, in denen Schulen besonders gut die Herausforderungen des Corona-Fernunterrichts bewältigt haben, handelt es sich um Schulen in privater Trägerschaft“, sagt der Ifo-Bildungsforscher Ludger Wößmann. Das kann auch daran liegen, dass diese um ihre Schüler werben müssen und dass ihre Lehrkräfte keine Beamten sind.